Donnerstag, 2. April 2015

Mischkultursystem von Gertrud Franck


Text gekürzt und leicht verändert entnommen aus "Der private biologische Gartenbau in Süddeutschland seit 1945 – Die Rolle der Pioniere und Veränderungen im Wissenstransfer" von Brunhilde Bross-Burkhardt. Quellenverweise und Bilder befinden sich in der Originalveröffentlichung.

Gertrud Franck ist die Autorin eines der grundlegenden Bücher über Mischkultur mit dem Titel Gesunder Garten durch Mischkultur. Es ist zwischen 1980 und 1991 in acht Auflagen mit einer Gesamtauflage von ca. 100.000 Exemplaren erschienen. Dieser Buchveröffentlichung gingen seit 1957 Veröffentlichungen in der Zeitschrift Boden und Gesundheit sowie die Herausgabe von schmalen Broschüren Gesundheit durch Mischkultur und Der Mischkulturengarten voraus, die ebenfalls in einer annähernd so hohen Auflage erschienen sind. Gertrud Franck setzte, vermutlich angeregt durch Huberta von Bronsart, die häufig bei den Francks zu Gast war und auf dem Hof Vorträge für die Lehrlinge und Angestellten hielt, die Angaben von Albert Georg Wirth und anderen um und entwickelte sie weiter. Als Fläche für ihre Versuche und Erprobungen diente Gertrud Franck ihr ca. 1 Hektar großer Gutsgarten mit Gemüse und Beerenobst und einem Ziergartenteil. Diesen Garten bewirtschaftete sie mit Hilfe der weiblichen Lehrlinge in der Hauswirtschaft und mit weiteren Hilfskräften vom landwirtschaftlichen Saatzuchtbetrieb ihres Mannes Hannfried Franck.
Gertrud Franck fing vermutlich Mitte bis Ende der 1940er-Jahre an, gezielt mit der Mischkultur zu experimentieren. Die interviewten weiblichen Lehrlinge in der Hauswirtschaft, die um 1950 auf dem Hof waren, berichten, dass es im Garten Versuchsparzellen gegeben habe, auf denen mehrere Wiederholungen von bestimmten Gemüsekombinationen angelegt gewesen seien. Brunhilde Haaf erinnert sich außerdem an Düngungsversuche mit verschiedenen Mistdüngungsvarianten (Schweinemist, Kuhmist, Rossmist, Geflügelmist). Gertrud Francks Aufzeichnungen über ihre Versuche liegen nicht vor, so dass ihr System hier anhand ihrer Veröffentlichungen und anhand von Informationen aus persönlichen Begegnungen mit ihr dargestellt werden. (Siehe ältere Veröffentlichung in diesem Blog)

Bild 21a-d: Mischkulturgarten von Gertrud Franck Anfang der 1950er-Jahre. Die Fotodokumente zeigen die Dimension dieses Gartens, der eher die Größe eines Versuchsfeldes hatte. Fotos: privat

Bild 22a+b: Mischkulturbeispiele im Garten von Gertrud Franck: (links) Kohl mit Kartoffeln, (Mitte) Sellerie mit Lauch/Porree. Fotos: privat


Reihenmischkultur ohne Zwischenwege

Gertrud Franck stellte in ihren Veröffentlichungen eine Reihenmischkultur ohne Zwischenwege bzw. Trittwege vor, wie sie sie selbst angelegt hatte. Um das Mulchen im Gemüseland möglich zu machen, empfahl Gertrud Franck einen gleichbleibenden Reihenabstand von zunächst 40 Zentimeter, in späteren Veröffentlichungen von 50 Zentimeter. Der Raum zwischen den Kulturreihen wird zunächst von Gründüngungspflanzen wie Spinat oder Ackerbohnen eingenommen, die später abgehackt werden und als Mulch liegen bleiben. Gertrud Franck nannte diese Gründüngungsreihen auch Vorsaaten. Darauf wird im Laufe des Sommers ständig neues Mulchmaterial ausgebracht, mit dem Ziel, kein Fleckchen Erde unbedeckt zu lassen. Wie Ewald Könemann unter dem Schlagwort „Immergrüne Wirtschaft“ propagierte Gertrud Franck das ständige Bedeckthalten des Bodens mit Gründüngungseinsaaten und Flächenkompostierung bzw. Mulchen. Die gemulchten Zwischenräume dienen als temporäre Trittwege, bei deren Betreten der Boden nicht verdichtet wird.
Der einmal aufgestellte Mischkulturplan, der alle bekannten positiven Wechselbeziehungen, Verträglichkeiten und Unverträglichkeiten der Gemüse untereinander berücksichtigt, kann immer wieder verwendet werden. Die Gemüsereihen rücken lediglich um 25 cm weiter. Bei sorgfältiger Planung ist ein Fruchtwechsel bereits inbegriffen. Gertrud Franck nannte diese Einteilung  „rollierendes System“.


Bild 23: Mischkulturplan für eine durchgehende Reihenmischkultur von Gertrud Franck. Entnommen aus: Gesundheit durch Mischkultur
Wie Wirth und Könemann gruppierte sie die Gemüsereihen um dominierende Hauptkulturen bzw. Leitkulturen wie Tomaten, Stangenbohnen oder Spätkohl, die den Platz im Garten lange einnehmen und einen ausladenden oder hohen Wuchs haben. Die Hauptkulturen bezeichnete sie als a-Kulturreihe, die Mittelreihen als b-Reihen und die Kurzzeitreihen als c-Reihen. Auf Plänen und im Garten zum Demonstrieren markierte sie die Reihen mit verschiedenfarbigen Hölzern – a mit rot, b mit grün und c mit blau. Die Abfolge der Reihen war immer gleich: a-c-b-c-a-c-b-c-a, usw., jeweils im 50 cm-Abstand.

Liniensaaten mit Spinat

Ein wesentlicher Bestandteil der Mischkultur nach Gertrud Franck waren und sind die Spinat-Einsaaten. Der Spinat wird in Reihen als so genannte „Liniensaat“ im Frühjahr vor allen anderen Kulturen im gesamten Gemüseland ausgesät. Frau Franck begründete das intensive Einbeziehen des Spinats mit dessen weichen Blattmassen und den Saponinausscheidungen in den Boden. Spinat habe eine rasche düngende Wirkung, die absterbenden Wurzeln und die abgehackten Blätter würden eine Startfütterung für die Bodenorganismen geben, die ihrerseits intensiv tätig würden. Die dabei freigesetzten Nährstoffe kämen nachfolgenden Gewächsen zugute. Zum Beispiel solle bei den eisenbedürftigen Rosen eine Untersaat von Spinat die Eisenaufnahme fördern und die Rosen besonders prächtig gedeihen lassen. Als weitere Gründüngungspflanze verwendete Gertrud Franck Gelbsenf. Das Saatgut der Sorte ‘Dr. Franck’s Hohenheimer Gelbsenf’ stammte übrigens aus der Saatzucht ihres Mannes Hannfried Franck.
Gertrud Franck praktizierte die Mischkultur nicht nur im Gemüse- und Kräutergarten, sondern auch im Ziergarten. Sie wusste von den Problemen der Gartenbesitzer mit Schädlingen und Krankheiten an Rosen und anderen Zierpflanzen und empfahl, die Grundordnung des Mischkulturengartens auch auf den Blumenteil zu übertragen – also die Kulturen zu mischen.

Bild 24: Liniensaaten von Spinat in einem Mischkulturgarten, der nach der Methode von Gertrud Franck bestellt wird. Der Spinat ist abgehackt und bleibt als Mulchdecke liegen. Foto: Brunhilde Bross-Burkhardt

Mischkultur berücksichtigt Morphologie der Pflanzen

Gertrud Franck achtete bei ihren Mischkulturvarianten darauf, dass sich die Gemüse in ihren morphologischen Eigenschaften sowohl über als auch unter der Erde ergänzten: Der Porree (Lauch) kommt mit wenig Licht aus und kann ohne Ertragsverlust in den Schatten zwischen zwei Tomatenreihen gepflanzt werden. Früher Blumenkohl und Sellerie ergänzen sich gut. Sellerie gilt als mit sich selbst nicht verträglich, deshalb wird Blumenkohl dazwischengepflanzt. Blumenkohl hat eine kurze Vegetationszeit, räumt früh und lässt dem Sellerie Platz, sich im Spätsommer und Herbst auszubreiten. Außerdem schützt Blumenkohl vor Sellerierost, und Sellerie vertreibt den Kohlweißling. Nach Gertrud Franck gibt es nur wenige wirklich ungünstige Nachbarschaften: Bohnen und Zwiebeln, Kohl und Zwiebeln, Blaukraut und Tomaten, Petersilie und Kopfsalat, Rote Rüben und Tomaten, Kartoffeln und Zwiebeln passen nicht zusammen. Ein wesentlicher Teil der Franckschen Mischkultur ist also dieses Miteinander, das sich aus unterschiedlicher Keim- und Entwicklungsdauer, Lichtbedürftigkeit und Schattenverträglichkeit und verschiedenen morphologischen Eigenschaften ergibt. Ein Mischkultursystem, wie es Gertrud Franck propagierte, geht über den reinen gemischten Anbau hinaus und bezieht andere Kulturmethoden wie Mulchen bzw. Flächenkompostierung, Gründüngungssaaten sowie praktische Handhabungsaspekte mit ein.
Gertrud Franck zog bewusst auch einjährige Kräuter in die Mischkultur mit ein. Außerdem setzte sie Kräuterjauchen aus Brennnesseln, Comfrey und anderen weit verbreiteten Wildkräutern wie Löwenzahn, Bärenklau, Wegerichblätter und Schafgarbenkraut an und nahm sie zur Düngung und Pflanzenkräftigung. Mit den Kräuterjauchen sollten nicht die Pflanzen direkt gedüngt werden, sondern der Boden. Gertrud Franck wollte mit den Kräuterjauchen dem Boden auch Heilstoffe zurückgeben. Die Jauchen gab Gertrud Franck zum Gemüse, aber auch zu den Erdbeeren im Herbst und zu Bäumen, Rosen und Stauden, gerne „ins offene Maul“, wenn sie die Nährstoffe am besten aufnehmen. Die Schwestern der Abtei Fulda befassten sich auf Anregung von Gertrud Franck ebenfalls mit Kräuterzubereitungen und veröffentlichten ihre Erfahrungen in der Broschüre Pflanzensaft gibt Pflanzen Kraft.

Vorteile der Mischkultur auf kleinen Beeten kaum zu erwarten

Gertrud Franck präsentierte in ihren Veröffentlichungen ein weitgehend in sich geschlossenes System, das sich nahezu aus sich selbst heraus erhalten kann, mit minimaler Zufuhr von Stoffen von außen. Auf ihrem sehr großen Gartengrundstück, das eher die Größe einer Gärtnerei hatte und mit Randbereichen, aus denen sie organisches Material holen konnte, hat dieses System hervorragend funktioniert. Es ist ein gutes Beispiel für eine nachhaltige, Ressourcen schonende Gartennutzung. Meistens wird das Francksche Mischkultursystem jedoch auf kleine Gartenbeete übertragen oder nur einzelne Aspekte daraus umgesetzt. Unter solchen, viel kleiner strukturierten, Bedingungen können sich die Vorteile des Systems bei weitem nicht so gut entfalten wie in einer großen Anlage.