Freitag, 18. April 2014

Die Gesellschaft Boden und Gesundheit e.V., Teil 4



Der Wacholderhof – hier eine Aufnahme aus dem Frühjahr 2011 - besteht hauptsächlich aus dem großen Hauptgebäude mit der charakteristischen rot-gelben Farbgebung. Darum herum gruppieren sich kleinere Wirtschaftsgebäude, die Foliengewächshäuser und der Laufstall für die Limpurger Rinder. Foto: Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt


IV. Der Wacholderhof – ein Gärtnerhof mit Zukunft
Alternativer Lernort und Erlebnishof

Von Berthold Burkhardt

Ein großer Garten für die Selbstversorgung, der auch noch Überschüsse für den Markt abwirft, einige Rinder, Schafe, Ziegen auf der Weide ums Haus, Hühner mit Auslauf, vielleicht noch einige Kaninchen im Stall, der ganze Hof nicht allzu groß, biologisch bewirtschaftet und alles bewohnt von einer Familie mit Kindern – einen solchen Hof gibt es heute in Deutschland nur noch selten.

Ein wenig Historie
In den Jahren nach dem 2.Weltkrieg wurde dieses Bewirtschaftungsprinzip auch von der „Gesellschaft Boden und Gesundheit“ propagiert. Diese Gesellschaft war eine der ganz frühen Vereinigungen (gegründet 1949), die sich für ökologischen Land- und Gartenbau und gesunde Ernährung einsetzte und Schriften dazu veröffentlichte. Damals begann in der Landwirtschaft der Grundsatz „Wachse oder weiche“ zu wirken. Heute gibt es nur noch wenige Gärtnerhöfe. Aber es gibt die „Stiftung zur Förderung von Gärtnerhöfen“. Diese wurde 1986 aus dem Restvermögen der aufgelösten Gesellschaft „Boden und Gesundheit“ gegründet. Ihr gehört der Wacholderhof bei Murrhardt im Schwäbischen Wald. Diesen Hof konnte die Gesellschaft 1977 kaufen, als ihr ein Teil des Erbes eines Mitglieds dazu die Mittel gab. Damals war der Hof fast eine Ruine und schon 12 Jahre verlassen gewesen. Die Mittel der Stiftung mussten daher vorwiegend in die Renovierung investiert werden.

In den Anfangsjahren wurde der Wacholderhof weitgehend von Hand bewirtschaftet: Berthold Burkhardt beim Pflügen auf dem Kartoffelacker.



















Der Wacholderhof vor 34 Jahren
(Dieser gekürzte Bericht von Berthold Burkhardt ist aus dem Nachrichtenblatt „Boden und Gesundheit“ Nr. 109/1980 entnommen)

„ ... Um die dem Wacholderhof gesetzten Ziele zu erreichen, schien es uns unabdingbar, dass auf dem Hof eine kleine, dauerhafte Kerntruppe, zu der pädagogisch und gärtnerisch/landwirtschaftliche erfahrene Leute gehören, langfristig leben und arbeiten muss. Die Bereitschaft, das eigene Leben mit allem, was es einschließt, ganz oder teilweise mit anderen zu teilen, schien uns eine wichtige Voraussetzung für diese Kerntruppe.
Nach reiflichen Überlegungen hat meine Familie beschlossen, das Experiment selbst zu wagen. Berufliche und außerberufliche Erfahrungen und jahrelange eigene Versuche im „einfachen Leben“ gaben uns den Mut dazu.

Viele Freunde, Bekannte und Verwandte haben uns in den vergangenen sechs Monaten bei den Auf- und Ausbauarbeiten geholfen. ... Viel Arbeit wurde geleistet (das einfache Leben ist nicht einfach): Pflanz-, Pflege- und Erntearbeiten im Garten, Feld und Wald, Winterholz-Einschlag, Bau eines Holzschuppens, Einfriedungen, Bauarbeiten an den Außenanlagen, Ausbau und Einrichtung von Wohn- und Schlafräumen, der Küche, des Vorratsraumes und vieles andere mehr. ...


Arbeit mit Kindern und Jugendlichen - Lernort Bauernhof
Der Wacholderhof wird bis heute im Stil eines Gärtnerhofes betrieben, vor allem aber als Erlebnishof und Lernort für Kinder und Jugendliche. Zudem ist er ein anerkannter Bioland-Betrieb. Seit rund 20 Jahren dürfen Kindergruppen und Schulklassen für einzelne Tage oder zu Schullandheim-Aufenthalten auf den Hof kommen. Und diese Arbeit wird immer wichtiger. Die Entfremdung der Kinder und Jugendlichen von den Ursprüngen der Nahrung ist erschreckend groß geworden. Auf dem Wacholderhof dürfen sie selbst pflanzen und ernten. Sie trinken Tee aus selbst gesammelten oder im Kräuterschaugarten geernteten Kräutern, essen Kartoffeln, die sie zuvor auf dem Kartoffelroder sortiert haben und sehen, dass Pferde auch einen Pflug ziehen können, fahren begeistert auch mal auf dem Traktor mit. 

Mögliche Aktivitäten auf dem Wacholderhof 
  • Kinder- und Schulgruppen können hier einen oder mehrere Tage verbringen und hier auch übernachten (bis zu 30 Übernachtungsmöglichkeiten)
  • Teilnahme an Workcamps – Arbeiten im Kräutergarten, Renovierungen, Kochen ...
  • Zwei Stellen für ein Freiwilligen Ökologischen Jahres (FÖJ)
  • Kurzpraktika in der Landwirtschaft
  • Urlaub im Gästehaus mit drei Mehrbettzimmern und einer Ferienwohnung, auch Bett & Bike, Wanderreitstation und Herberge für Jakobsweg-Pilger (Preisliste im Internet)

Wer mehr über die vielen Möglichkeiten und Aktivitäten auf dem Wacholderhof wissen will, kann ins Internet schauen: www.wacholderhof-ev.de oder einen Flyer anfordern: Wacholderhof – einfach leben und lernen e.V., Wacholderhof 17, 71540 Murrhardt, Tel.: 07192/7710, Fax: 1412, Mail: info@wacholderhof.de

Der Gärtnerhof-Stiftung sucht Förderer
Die Gärtnerhof-Stiftung betreibt den Hof nicht selbst, aber sie sucht ihn nach Kräften zu fördern. Pächter und Betreiber des Hofes ist der Verein „Wacholderhof – einfach leben und lernen e.V.“, der speziell für den Betrieb dieses Lernortes vor rund 30 Jahren gegründet wurde. Die Stiftung sucht Förderer und Spender! Spenden können auf ein Konto bei der GLS Gemeinschaftsbank e.G. eingezahlt werden. 

Kontakt: Gärtnerhof-Stiftung, Stiftung zur Förderung von Gärtnerhöfen, Wacholderhof 17, 71540 Murrhardt, Tel.: 07192/900171 (Berthold Burkhardt) oder Heidegret Mayer, Vorsitzende des Kuratoriums Gärtnerhof-Stiftung, Kirchgasse 7, 74582 Gerabronn, Tel.: 07952/6244


Mittwoch, 16. April 2014

Gesellschaft Boden und Gesundheit e.V., Teil 3


Die Boden-und-Gesundheit-Zeitschrift hatte einen etwas festeren Umschlag als das Nachrichtenblatt.

III. Veröffentlichungen der Gesellschaft Boden und Gesundheit

Von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt

Das Nachrichtenblatt „Boden und Gesundheit“
Im Mai/Juni 1953 erschien „Boden und Gesundheit“, das erste Nachrichtenblatt der Gemeinnützigen Gesellschaft Boden und Gesundheit mit zunächst vier Seiten. Es löste die Broschürenreihe „Unsere Aufgabe“ ab. Die Erscheinungsweise war zunächst zweimonatlich, ab 1957 vierteljährlich. Ab der Nr. 21/22 wurden die Hefte mit Schwarzweiß-Fotos bebildert.
Ein paar Artikelthemen geben Einblick in die Inhalte der Zeitschrift im ersten Jahrzehnt des Erscheinens: Schnellkompost, Kompost und Qualität, Mistkompost, Regenwürmer, Selbstversorgergartenbau, Waldbau. Wolfgang von Haller setzte sich mit Fragestellungen wie Ernährung und Stickstoffhaushalt auseinander und stellte die Forschungsarbeiten des Nobelpreisträgers A. Virtanen vor. Die Ernährungsthemen bearbeitete hauptsächlich Dr. Gertrud Schmidt. Sie brachte fast in jeder Ausgabe praktische Vorschläge für die Ernährung von Kleinkindern, von stillenden Müttern oder Kranken, die Ernährung im Frühjahr und unterwegs – oft mit Küchenzettel und Menüvorschlägen und Rezepten. Die Mitglieder und Leser beteiligten sich rege an der Diskussion und kommentierten bereits erschienene Artikel oder gaben Ratschläge für die gesunde Ernährung oder berichteten über eigene Erfahrungen im Garten und in der Landwirtschaft.

Das einfache Nachrichtenblatt wandelte sich ab der Nr. 23/1957 zu einer „Zeitschrift für angewandte Ökologie“ mit 16 bis 32 Seiten mit Bildern in Schwarzweiß. Wolfgang von Haller begründet den neuen Untertitel so: „Es genügt uns nicht mehr, zusammenhanglose Kenntnisse über den Boden, über einzelne Pflanzen, Tiere und Menschen. Ihre Beziehungen untereinander, das schöpferische Zusammenspiel ihrer Kräfte im großen Haushalt des Naturgeschehens zu kennen und zu erforschen, erscheint uns heute wesentlich. Wollen wir unser Leben gesund, glücklich und wirtschaftlich zweckvoll gestalten gestalten, so kommen wir nicht umhin, es sinnvoll dem Haushalt des Naturgeschehens einzugliedern. Ökologie ist das Wissen um diesen Haushalt.“ Wolfgang von Haller druckte danach viele Jahre lang in jeder Ausgabe von „Boden und Gesundheit“ die Kurzdefinition des damals noch unbekannten Begriffs ab.

„Ökologie ist die Haushaltkunde der Natur, ist die Wissenschaft von den Wechselbeziehungen zwischen den Lebewesen und ihrer Umwelt, bedeutet das Wissen um die Lebensgemeinschaft von Boden, Pflanze, Tier und Mensch.“

In der Nr. 26, Winter 1957/58, erschien der erste Teil einer Artikelfolge von Gertrud Franck „Gesundheit durch Mischkultur“ (2. Teil in der Nr. 31, Frühjahr 1959; 3. Teil in der Nr. 42 – Winter 1962/63, 4. Teil in der Nr. 46 – Winter 1964/65). Aus diesen Artikeln stellte Wolfgang von Haller eine Broschüre zusammen. Sie erschien 1965 im Querformat unter dem Titel „Gesundheit durch Mischkultur“ und erzielte in neun Auflagen eine Gesamtzahl von 55.000 Exemplare. Gertrud Franck ist über diese Veröffentlichung (und die später folgenden) einem großen Personenkreis bekannt geworden. Ihre Beiträge und die anderer Autoren des Nachrichtenblattes Boden und Gesundheit haben heute noch Gültigkeit. Sie präsentieren authentisches Wissen.

Wolfgang von Haller interessierte sich für die Entwicklung des organischen Anbaus weltweit. Er hatte Kontakt zu führenden Forschern und Praktikern und veröffentlichte Artikel über sie und von ihnen. – So ergab sich über die Jahre ein gutes Bild über die Entwicklung des organischen Anbaus u.a. in England, Frankreich, den USA, Australien, China und Südafrika.
Begleitend zum Nachrichtenblatt gab die Gesellschaft Sonderdrucke heraus. Die meisten waren Nachdrucke von Artikeln, die in den Heften erschienen waren.
Die Mitgliederversammlung der Gesellschaft Boden und Gesundheit beschloss am 4./5. Oktober 1986, dem Nachrichtenblatt der Gesellschaft die Zeitschrift „garten organisch“ beizulegen. (Anmerkung: „garten organisch“ ist der Vorläufertitel der vorliegenden Zeitschrift „Natürlich gärtnern“.) Das Blatt wurde mit der Auflösung der Gesellschaft Boden und Gesundheit e.V. 1988 eingestellt. Die Titelrechte am Nachrichtenblatt Boden und Gesundheit wurden an den Verleger Kurt Walter Lau übertragen. Im Impressum von „Natürlich gärtnern“ wird deshalb „Boden und Gesundheit“ mit aufgeführt.

Verlag und Buchversand
Der wichtigste Titel im Verlag Boden und Gesundheit war die Mischkulturbroschüre von Gertrud Franck. Im Verlag erschien auch das zweibändige Werk „Die Wurzeln der gesunden Welt“, Band 1 von Albert von Haller (1976) und Band 2 von Wolfgang von Haller (1978). Der zweite Band ist im wesentlichen eine Zusammenfassung von wichtigen Artikeln, die im Lauf der Jahrzehnte in Nachrichtenblatt und Zeitschrift erschienen waren. Interessant vor allem durch die Fotos, die die Landnutzung in China, Australien, USA und Kanada mit Positiv- und Negativbeispielen zeigen. Der Verlag gab ebenfalls das vielzitierte Buch von Albert von Haller „Lebenswichtig aber unerkannt. Phytonzide schützen das Leben“ (1977) heraus.

Der Verlag wurde 1980/81 an den bioverlag gesundleben verkauft, der zu der Zeit die Bücher des damals sehr bekannten Naturheilarztes Dr. Max Otto Bruker herausgab. In diesem Verlag erschienen in einer als „Edition Boden und Gesundheit“ bezeichneten Reihe einige weitere dünne Bände und Broschüren der Autoren Albert und Wolfgang von Haller sowie weiterer Autoren. Der Verlag stellte 1984 seine Tätigkeit ein.

Eine wichtige Einkommensquelle für die Gesellschaft Boden und Gesundheit war der Bücherdienst bzw. der Buchversand. Zeitweise war dafür ein Mitarbeiter angestellt. Auf den Angebotslisten standen alle relevanten und verfügbaren Titel zum biologischen Land- und Gartenbau sowie zu gesunder Ernährung, Alternativmedizin und angrenzenden Themen wie New Age.




Dienstag, 15. April 2014

Gesellschaft Boden und Gesundheit e.V., Teil 2

Kompostiervorführung mit dem Langenburger Bürgermeister Fritz Gronbach. Foto entnommen aus Boden und Gesundheit Nr. 50/1965-66

II. Die Gesellschaft Boden und Gesundheit in Langenburg

Von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt

Ab dem Frühjahr 1961 suchte Wolfgang von Haller nach einem geeigneten Ort für einen „Lehrhof“, der Mittelpunkt der praktischen Arbeit werden sollte. Der damalige Langenburger Bürgermeister Fritz Gronbach, der selbst großes Interesse an biologischem Land- und Gartenbau und an Ernährungsfragen hatte, meldete sich mit einem Angebot. Er sah eine Chance, gemeinsam mit der Gesellschaft einen Kurbetrieb in dem kleinen Residenzstädtchen Langenburg aufzubauen und damit den Tourismus zu beleben. Daraufhin zog Wolfgang von Haller und mit ihm die Geschäftsstelle der Gesellschaft Boden und Gesundheit nach Langenburg in Nordwürttemberg. Die Gesellschaft konnte hier einen alten Bauernhof zu einem günstigen Preis pachten.

Bei der Ansiedlung in Langenburg wollte Wolfgang von Haller eine Art kleines „Eden“ – nach dem Vorbild der Obstbau-Siedlung Eden bei Oranienburg – schaffen, und suchte ein Gelände, auf dem sich Mitglieder der Gesellschaft ansiedeln und Selbstversorgerwirtschaft betreiben konnten. Gedacht war auch an ein Kurheim und eine Gärtnerei mit Versuchsgelände. Die Gesellschaft konnte ein etwa 10 000 Quadratmeter großes Grundstück am Ortsrand von Langenburg sehr günstig für 3 DM pro Quadratmeter erwerben. Das Grundstück wurde in neun Baugrundstücke sowie ein Gemeinschaftsgrundstück aufgeteilt. Auf dem Gemeinschaftsgrundstück sollte das Verwaltungsgebäude von Boden und Gesundheit sowie eine kleine Gärtnerei entstehen. Im Bebauungsplan der Gemeinde wurde festgeschrieben, dass die Gärten biologisch zu bewirtschaften seien (insbesondere war es verboten, Spritzmittel anzuwenden). In diesem Siedlungsgebiet durften auf den Grundstücken keine Garagen gebaut werden, um Luft verpestende Autos fern zu halten. Die Grundstücke wurden schnell verkauft. Es zeigte sich dann aber, dass nur wenige Mitglieder tatsächlich hier bauten. Einige Grundstücke wurden bald an außen stehende Personen, die kein Interesse an den Zielen von „Boden und Gesundheit“ hatten, weiter verkauft. Der Versuch, eine Öko-Siedlung zu schaffen, scheiterte.


Bäckertüte aus den 1960er-Jahren mit dem Logo der Gesellschaft Boden und Gesundheit.

In den Anfangsjahren in Langenburg lud die Gesellschaft zu monatlichen Treffen ein. Der Verein konnte im Umfeld einige Interessierte dazu bewegen, ihre Gärten biologisch zu bewirtschaften oder ihre Ernährung auf vollwertige Kost umzustellen. Eine örtliche Bäckerei fing an, Vollkornbrot zu backen.

Zusammenarbeit mit anderen Organisationen
Wolfgang von Haller arbeitete eng mit der Bauernschule Hohenlohe im wenige Kilometer entfernten Dorf Weckelweiler zusammen. Er hielt bei den Land- und Gartenbaukursen an der Bauernschule Vorträge und bot mit seinem Büchertisch die aktuelle einschlägige Literatur über Landwirtschaft, Gartenbau, Ernährung und Medizin an.
Die Gesellschaft Boden und Gesundheit organisierte auch in Langenburg Tagungen. Erwähnenswert sind die so genannten „Existenzkonferenzen“ in den Jahren 1970, 1971, 1972, die in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für biologischen Gartenbau (SGBL) stattfanden. Die erste Konferenz fand unter dem Generalthema „Die Alternative zum Untergang“ statt. Die zweite Konferenz in der Schweiz stand unter dem Motto „Ein neuer Lebensstil muss erprobt werden als Alternative zu Chaos und Untergang“. Tagungsort der dritten Konferenz mit dem weit gesteckten Themenfeld „Ökologie – Umweltschutz – Politik“ war wieder Langenburg.

Landwirte aus vielen Teilen der Welt kamen nach Langenburg, zum Beispiel 1974 im Anschluss an den 10. Internationalen Kongress der französischen Organisation „Nature et Progrès“ . Die Gesellschaft unterstützte die "Aktion Mazibuko" und rief 1980 zu Spenden für Baumpflanzaktionen in Südafrika auf.

Großes Ziel „Öko-Zentrum“
Ab etwa 1970 nahm das Interesse in der Bevölkerung für die Ziele von Boden und Gesundheit zu. Die Gesellschaft nahm sich vor, ihre Aktivitäten zu intensivieren und ein Öko-Zentrum aufzubauen. Das bis dahin genutzte alte Bauernhaus war dafür zu klein. 1972 fand der Umzug in das so genannte Öko-Zentrum in der Gartenstraße statt. Mit Spenden von Mitgliedern und von Freunden konnte der Kauf von zwei Wohnungen mit Gartengelände finanziert werden. Bei diesem Öko-Zentrum handelte es sich um ein Büro mit Bibliothek und Buchversand sowie die Wohnung von Wolfgang von Haller. Im Garten und auf der Obstwiese erprobte Wolfgang von Haller mit Helfern gärtnerische Methoden. Zusätzlich wurden im ehemaligen Amtsgerichtsgefängnis von Langenburg Räume fürs Archiv und als Lager gemietet.

Im Herbst 1979 kaufte die Gesellschaft das ehemalige Gefängnisgebäude. Geplant war, im Gebäude ein Ökozentrum mit Seminarräumen und Übernachtungsmöglichkeiten für Gäste zu schaffen. Der Kauf konnte wiederum mit Spenden finanziert werden. Es stellte sich im Nachhinein heraus, dass die Umbaukosten des klotzigen, mehrstöckigen Gebäudes den kleinen Verein Boden und Gesundheit überfordert hätten. So wurde das Gefängnisgebäude 1984 wieder verkauft.

Mit der großzügigen Spende eines Mitglieds konnte die Gesellschaft 1977 den Wacholderhof im Schwäbischen Wald erwerben, der zu dem lange geplanten Lehrhof nach dem Gärtnerhofmodell ausgebaut werden sollte. Dieses Projekt wurde erfolgreich in einer anderen Trägerschaft verwirklicht. (Siehe hierzu Teil 4 dieser Serie.)


Die Gesellschaft im letzten Jahrzehnt ihres Bestehens
Ab 1980 suchte der damals 75-jährige Wolfgang von Haller dringend nach Nachfolgern. Die beiden Diplom-Agraringenieure Brunhilde Bross und Carsten Lüthje wurden Anfang 1982 als Schriftleiterin bzw. als Geschäftsführer eingestellt. Die beiden blieben bis Ende 1983. Danach folgte von 1984 bis 1986 Jürgen Lüders als Schriftleiter des Nachrichtenblattes. Nach seinem Weggang übernahmen Vorstandsmitglieder die Schriftleitung. Wolfgang von Haller selbst zog Anfang 1982 in die Steiermark, um seine Idee eines Gärtnerhofes zu verwirklichen. 1984 wurde er zum Ehrenvorsitzenden der Gesellschaft Boden und Gesundheit ernannt. Ab 1. Oktober 1986 wurde die Geschäftsstelle nur noch nebenamtlich von den Vorstandsmitgliedern geführt.

Auf Beschluss der Mitgliederversammlung am 16. Oktober 1988 wurde die „Gesellschaft Boden und Gesundheit, gemeinnützige Gesellschaft für angewandte Ökologie e.V.“ nach 40-jährigem Bestehen aufgelöst. Aufgrund des Rechnungsberichts war klar, dass die Gesellschaft finanziell nicht mehr zu halten war. Zu dem Zeitpunkt hatte sie noch 440 Mitglieder und 230 Abonnenten des Nachrichtenblattes. Wolfgang von Haller kehrte nach einigen Jahren in der Steiermark wieder zurück nach Langenburg und starb am 14. 10. 1995. 

Freitag, 11. April 2014

Gesellschaft Boden und Gesundheit e.V., Teil 1


I. Die Anfänge und der formale Rahmen

Von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt

Die Gesellschaft Boden und Gesundheit e.V. wurde nach dem 2. Weltkrieg zu einem wichtigen Vorläufer für die Öko-Bewegung in Deutschland. Zur Verbreitung des Wissens über ökologische Zusammenhänge sowie über Boden, organische Düngung, Ernährung und Gesundheitsfragen gab sie das gleichnamige Nachrichtenblatt heraus. Der Verein wurde 1988 aufgelöst.

Wolfgang von Haller und einige Gleichgesinnte gründeten 1949 in Lienen/Westfalen die „Gesellschaft Boden und Gesundheit“ e.V., weil sie die Lebensgrundlagen der Menschheit bedroht sahen. Sie sahen diese Entwicklung aber nicht als unabwendbares Schicksal, sondern wollten ihr auf der Basis ganzheitlicher Erkenntnisse aktiv entgegenwirken. Sie sahen Boden, Ernährung und Gesundheit als eine Einheit an und sie gaben dem Verein deshalb den Namen „Gesellschaft Boden und Gesundheit e.V.“. Die Gründungsmitglieder stellten sich die Aufgabe, in allen Fragen gesunder Lebensführung zu beraten. Dazu sollte die Herausgabe einer Zeitschrift und verschiedener Schriften sowie die Einrichtung einer Bücherei und Unterrichtungsstelle dienen. Daneben war die Veranstaltung von Vorträgen, Aussprachen, Arbeitstagungen, Ausstellungen sowie Besichtigungen vorgesehen.

Anzeige in Unser Hof, einem Jahreskalender für 1950, erschienen im Siebeneicher Verlag.





Aktivitäten der Gesellschaft in der Anfangszeit
Von Anfang an war die Gesellschaft international ausgerichtet. Das hat mit der Lebensgeschichte Wolfgang von Hallers zu tun, der viele Jahre im Ausland gelebt und gearbeitet hatte, u.a. in Kanada und in China. Wolfgang von Haller wurde 1905 in Reval (heute Tallinn) in Estland als Sohn eines Arztes geboren. Er studierte Landwirtschaft, hat das Studium aber wohl nicht zu Ende geführt, denn er gab als Berufsbezeichnung immer „Landwirt“ an. Die Gesellschaft Boden und Gesundheit war auf die Person Wolfgang von Haller abgestimmt. Wolfgang von Haller siedelte sich 1946 in Lienen bei Lengerich in Westfalen an. Seine Mutter und seine beiden Geschwister Albert und Martha kamen später ebenfalls nach Lienen. Die Familie wohnte in einer umgebauten Scheune und versorgte sich aus einem gepachteten 600 Quadratmeter  großen Garten weitgehend selbst.

Die Gesellschaft begann – ihrer selbst gestellten Aufgabe gemäß – zunächst mit der Herausgabe einer Broschürenreihe mit dem Titel „Unsere Aufgabe“. Dabei handelte es sich um eine Art programmatische Zeitschrift. Sie erschien von 1950 bis 1953 mit jährlich einer Ausgabe im DIN-A5-Format. In der dritten Ausgabe (1952) dieser Broschürenreihe veröffentlichte der Fachbeirat der Gesellschaft einen ausführlichen, grundlegenden Artikel über das Kompostieren. Die Themen organische Düngung und Förderung der Bodenfruchtbarkeit waren wesentliche Anliegen der Gesellschaft, ebenso der Einfluss der Düngung auf die Nahrungsmittelqualität. Wolfgang von Haller setzte sich sehr früh intensiv mit der Pestizidproblematik, vor allem mit den schädlichen Auswirkungen des DDT auf die menschliche Gesundheit, auseinander und publizierte darüber, lange bevor das Thema in der Öffentlichkeit bekannt wurde. Eine seiner wichtigsten Arbeiten war die Dokumentation „Vergiftung durch Schutzmittel“, die 1956 im Stuttgarter Hippokrates-Verlag erschien. Die Mitglieder der Gesellschaft engagierten sich für eine gesunde Ernährung mit viel Obst und Gemüse und Vollkornprodukten, um den Zivilisationskrankheiten vorzubeugen. Sie setzten sich 1958 für die Freigabe roher Milch ein.

1960 lud die Gesellschaft zu einer mehrtägigen Tagung über Gesundheit, Gartenbau und Landbau nach Bad Pyrmont ein. Den Gartenbau-Lehrgang leitete der Gartenarchitekt Max K. Schwarz aus Worpswede, der durch seine Gärtnerhof-Idee bekannt geworden ist. Den Landbau-Lehrgang gestalteten Almar von Wistinghausen, Max K. Schwarz und Wolfgang von Haller. Ein ausführlicher Bericht über diese Tagung erschien in der Nr. 36 der Zeitschrift Boden und Gesundheit. 1961 folgte ein Seminar „Neuzeitlicher Landbau“ im Jugendhof Sachsenhain bei Verden a. d. Aller. Danach verlagerten sich die Aktivitäten der Gesellschaft nach Süddeutschland.

Vorstand und Ehrenbeirat
1. Vorsitzender 1949-1962 Dr. med. Otto von Schröder
1. Vorsitzender 1962-1972 Erhard Hennig, Bodenforscher, Buchautor
1. Vorsitzender 1972-1976: Johannes Schwenk, Schulrat
1. Vorsitzender 1976-1981: Wolfgang von Haller, Landwirt
1. Vorsitzender 1981-1988: Berthold Burkhardt, Diakon, Leiter des Gärtnerhofs Wacholderhof

Dem Ehrenbeirat der Gesellschaft gehörten Wissenschaftler und einflussreiche Persönlichkeiten auf der ganzen Welt an, u.a. Lady Eve Balfour, Lady Louise E. Howard, Prof. Dr. Werner Kollath, Dr. h. c. Ehrenfried Pfeiffer, Prof. Dr. Walter Sauerlandt, Prof. Dr. André Voisin.

(Fortsetzung folgt)