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Dienstag, 15. April 2014

Gesellschaft Boden und Gesundheit e.V., Teil 2

Kompostiervorführung mit dem Langenburger Bürgermeister Fritz Gronbach. Foto entnommen aus Boden und Gesundheit Nr. 50/1965-66

II. Die Gesellschaft Boden und Gesundheit in Langenburg

Von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt

Ab dem Frühjahr 1961 suchte Wolfgang von Haller nach einem geeigneten Ort für einen „Lehrhof“, der Mittelpunkt der praktischen Arbeit werden sollte. Der damalige Langenburger Bürgermeister Fritz Gronbach, der selbst großes Interesse an biologischem Land- und Gartenbau und an Ernährungsfragen hatte, meldete sich mit einem Angebot. Er sah eine Chance, gemeinsam mit der Gesellschaft einen Kurbetrieb in dem kleinen Residenzstädtchen Langenburg aufzubauen und damit den Tourismus zu beleben. Daraufhin zog Wolfgang von Haller und mit ihm die Geschäftsstelle der Gesellschaft Boden und Gesundheit nach Langenburg in Nordwürttemberg. Die Gesellschaft konnte hier einen alten Bauernhof zu einem günstigen Preis pachten.

Bei der Ansiedlung in Langenburg wollte Wolfgang von Haller eine Art kleines „Eden“ – nach dem Vorbild der Obstbau-Siedlung Eden bei Oranienburg – schaffen, und suchte ein Gelände, auf dem sich Mitglieder der Gesellschaft ansiedeln und Selbstversorgerwirtschaft betreiben konnten. Gedacht war auch an ein Kurheim und eine Gärtnerei mit Versuchsgelände. Die Gesellschaft konnte ein etwa 10 000 Quadratmeter großes Grundstück am Ortsrand von Langenburg sehr günstig für 3 DM pro Quadratmeter erwerben. Das Grundstück wurde in neun Baugrundstücke sowie ein Gemeinschaftsgrundstück aufgeteilt. Auf dem Gemeinschaftsgrundstück sollte das Verwaltungsgebäude von Boden und Gesundheit sowie eine kleine Gärtnerei entstehen. Im Bebauungsplan der Gemeinde wurde festgeschrieben, dass die Gärten biologisch zu bewirtschaften seien (insbesondere war es verboten, Spritzmittel anzuwenden). In diesem Siedlungsgebiet durften auf den Grundstücken keine Garagen gebaut werden, um Luft verpestende Autos fern zu halten. Die Grundstücke wurden schnell verkauft. Es zeigte sich dann aber, dass nur wenige Mitglieder tatsächlich hier bauten. Einige Grundstücke wurden bald an außen stehende Personen, die kein Interesse an den Zielen von „Boden und Gesundheit“ hatten, weiter verkauft. Der Versuch, eine Öko-Siedlung zu schaffen, scheiterte.


Bäckertüte aus den 1960er-Jahren mit dem Logo der Gesellschaft Boden und Gesundheit.

In den Anfangsjahren in Langenburg lud die Gesellschaft zu monatlichen Treffen ein. Der Verein konnte im Umfeld einige Interessierte dazu bewegen, ihre Gärten biologisch zu bewirtschaften oder ihre Ernährung auf vollwertige Kost umzustellen. Eine örtliche Bäckerei fing an, Vollkornbrot zu backen.

Zusammenarbeit mit anderen Organisationen
Wolfgang von Haller arbeitete eng mit der Bauernschule Hohenlohe im wenige Kilometer entfernten Dorf Weckelweiler zusammen. Er hielt bei den Land- und Gartenbaukursen an der Bauernschule Vorträge und bot mit seinem Büchertisch die aktuelle einschlägige Literatur über Landwirtschaft, Gartenbau, Ernährung und Medizin an.
Die Gesellschaft Boden und Gesundheit organisierte auch in Langenburg Tagungen. Erwähnenswert sind die so genannten „Existenzkonferenzen“ in den Jahren 1970, 1971, 1972, die in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für biologischen Gartenbau (SGBL) stattfanden. Die erste Konferenz fand unter dem Generalthema „Die Alternative zum Untergang“ statt. Die zweite Konferenz in der Schweiz stand unter dem Motto „Ein neuer Lebensstil muss erprobt werden als Alternative zu Chaos und Untergang“. Tagungsort der dritten Konferenz mit dem weit gesteckten Themenfeld „Ökologie – Umweltschutz – Politik“ war wieder Langenburg.

Landwirte aus vielen Teilen der Welt kamen nach Langenburg, zum Beispiel 1974 im Anschluss an den 10. Internationalen Kongress der französischen Organisation „Nature et Progrès“ . Die Gesellschaft unterstützte die "Aktion Mazibuko" und rief 1980 zu Spenden für Baumpflanzaktionen in Südafrika auf.

Großes Ziel „Öko-Zentrum“
Ab etwa 1970 nahm das Interesse in der Bevölkerung für die Ziele von Boden und Gesundheit zu. Die Gesellschaft nahm sich vor, ihre Aktivitäten zu intensivieren und ein Öko-Zentrum aufzubauen. Das bis dahin genutzte alte Bauernhaus war dafür zu klein. 1972 fand der Umzug in das so genannte Öko-Zentrum in der Gartenstraße statt. Mit Spenden von Mitgliedern und von Freunden konnte der Kauf von zwei Wohnungen mit Gartengelände finanziert werden. Bei diesem Öko-Zentrum handelte es sich um ein Büro mit Bibliothek und Buchversand sowie die Wohnung von Wolfgang von Haller. Im Garten und auf der Obstwiese erprobte Wolfgang von Haller mit Helfern gärtnerische Methoden. Zusätzlich wurden im ehemaligen Amtsgerichtsgefängnis von Langenburg Räume fürs Archiv und als Lager gemietet.

Im Herbst 1979 kaufte die Gesellschaft das ehemalige Gefängnisgebäude. Geplant war, im Gebäude ein Ökozentrum mit Seminarräumen und Übernachtungsmöglichkeiten für Gäste zu schaffen. Der Kauf konnte wiederum mit Spenden finanziert werden. Es stellte sich im Nachhinein heraus, dass die Umbaukosten des klotzigen, mehrstöckigen Gebäudes den kleinen Verein Boden und Gesundheit überfordert hätten. So wurde das Gefängnisgebäude 1984 wieder verkauft.

Mit der großzügigen Spende eines Mitglieds konnte die Gesellschaft 1977 den Wacholderhof im Schwäbischen Wald erwerben, der zu dem lange geplanten Lehrhof nach dem Gärtnerhofmodell ausgebaut werden sollte. Dieses Projekt wurde erfolgreich in einer anderen Trägerschaft verwirklicht. (Siehe hierzu Teil 4 dieser Serie.)


Die Gesellschaft im letzten Jahrzehnt ihres Bestehens
Ab 1980 suchte der damals 75-jährige Wolfgang von Haller dringend nach Nachfolgern. Die beiden Diplom-Agraringenieure Brunhilde Bross und Carsten Lüthje wurden Anfang 1982 als Schriftleiterin bzw. als Geschäftsführer eingestellt. Die beiden blieben bis Ende 1983. Danach folgte von 1984 bis 1986 Jürgen Lüders als Schriftleiter des Nachrichtenblattes. Nach seinem Weggang übernahmen Vorstandsmitglieder die Schriftleitung. Wolfgang von Haller selbst zog Anfang 1982 in die Steiermark, um seine Idee eines Gärtnerhofes zu verwirklichen. 1984 wurde er zum Ehrenvorsitzenden der Gesellschaft Boden und Gesundheit ernannt. Ab 1. Oktober 1986 wurde die Geschäftsstelle nur noch nebenamtlich von den Vorstandsmitgliedern geführt.

Auf Beschluss der Mitgliederversammlung am 16. Oktober 1988 wurde die „Gesellschaft Boden und Gesundheit, gemeinnützige Gesellschaft für angewandte Ökologie e.V.“ nach 40-jährigem Bestehen aufgelöst. Aufgrund des Rechnungsberichts war klar, dass die Gesellschaft finanziell nicht mehr zu halten war. Zu dem Zeitpunkt hatte sie noch 440 Mitglieder und 230 Abonnenten des Nachrichtenblattes. Wolfgang von Haller kehrte nach einigen Jahren in der Steiermark wieder zurück nach Langenburg und starb am 14. 10. 1995. 

Dienstag, 4. März 2014

Wolfgang von Haller and "Gesellschaft Boden und Gesundheit e.V.".


By Dr. rer. agr. Brunhilde Bross-Burkhardt, Langenburg, Germany

Wolfgang von Haller was born on 1st of October 1905 in Reval, now Tallinn, in Estland. His father was a doctor. Wolfgang von Haller had an older brother Albert (1903-2000), who became a writer[1], and an older sister, Martha, who became a nurse. After World War I the family moved to Berlin. Wolfgang von Haller studied Agricultural Sciences at the Kolonialhochschule Witzenhausen and at the University of Halle.[2] Then he went to Canada and worked there on farms and in forestry for two years.

In 1930 he went to China. He worked in the province of Kiangsu in charge of the „Stickstoffsyndikat“ in order to check the possibilities of selling fertilizer to the Chinese. In 1931 he quit this job[3] and started to travel all around China for three years.[4] From 1934 until 1939, after coming back to Germany, he worked as what was described an abstractor for economical affairs.[5]  In World War II he was employed with agricultural affairs. He was installed at the Institute for Plant Breeding in Puschkin near Leningrad and at the Mitschurin Stations nearby.[6] After that v. Haller was stationed in Macedonia, in order to organize the agricultural production and distribution of food. At the end of World War II he was in the Netherlands in Friesland, where he organized the dairy husbandry. There he was captured as a prisoner of war.[7]

In 1946 he settled in the small village Lienen in Westphalia, in the western part of Germany, together with his mother and sister. He took some land on lease and started cultivating vegetables and fruit for self-sufficiency.

In 1949 he founded the „Gesellschaft Boden und Gesundheit e.V.“, together with friends and like-minded persons.

Chairman of the Board was Dr. med. Otto von Schröder (1949-1962).
Vice-chairman was Walter Groß, a garden architect (1949-1962).

At the beginning members of the commitee (“Ehrenbeiratsmitglieder”) were: Prof. Dr. med. Werner Kollath, Dr. h.c. Arthur von Kruedener, Dr. h.c. Ehrenfried Pfeiffer, Prof. Dr. Carl Alwin Schenck, Prof. Dr. Wilhelm Vershofen.

In 1963 he, respectively “Boden und Gesundheit”, moved to Langenburg in Baden-Württemberg. He had the aim to found a model farm or market garden. But that plan didn’t work out. So the “Gesellschaft Boden und Gesundheit” always remained restricted either to houses or flats with rather small gardens. It was equipped as a publishing house with an archive and a remarkable library.[8]

Publications
From 1950 till 1953 the “Gesellschaft Boden und Gesundheit” published four small brochures “Unsere Aufgabe”: 1. “Boden, Ernährung, Gesundheit” (1950), 2. “Gedeih-Kost” (1951), 3. “Lebendiger Boden” (1952), 4. “Landschaft als Lebensraum – Der Baum in Wald, Flur und Garten (1953).
The first brochure with the programmatic title “Unsere Aufgabe – Boden, Ernährung, Gesundheit” was published in 1950. Among other articles it contained an article about the development of “Boden-und-Gesundheit”-aims in foreign countries. V. Haller wrote on p. 29: “In Europe England is leading in matters of Soil and Health and has a great influence on other countries.” V. Haller mentions Sir Albert Howard, the Soil Association with Lord Teviot and Lady Eve Balfour, F. Newman Turner and his publication “The Farmer” and the organisation Whole Food Society, Friend Sykes and F.C. King, Maye E. Bruce, Dr. Lionel Picton, Peckham Pioneer Health Centre.

In 1953 the association started publishing a printed newsletter “Boden und Gesundheit”. The first editions contained only a few pages. From 1957-1971 it was published as a magazine with many photos and illustrations, and then again as a newsletter until 1988, when the association was liquidated.

For the magazine, Wolfgang von Haller wrote many articles, either more scientific or more practical, about soil- and health-themes and about pesticides. He also gave lectures in radio and in workshops. In the associated (very small) publishing house “Boden und Gesundheit” he published books of himself, of his brother Albert and of other writers. His own most important works were “Vergiftung durch Schutzmittel”, Hippokrates-Verlag, Stuttgart 1956, and “Die Wurzeln der gesunden Welt II. Dokumentation in Bildern und Berichten”, 1978.

I think that it is a very important fact, that Wolfgang von Haller was a master of the English and Russian language. In the 1950s and 1960s very few people in Germany did have these skills. So he could translate texts and maintain contact to English and Russian speaking scientists all over the world. That was one reason for the success of “Boden und Gesundheit” as an international aimed association.

“Boden und Gesundheit” was a very small organisation. When I worked for it as an editor from 1981 until 1983 we had about 1100 members respectively subscribers of the newsletter. I believe, that the organisation had at most 2000 members.

“Gesellschaft Boden und Gesundheit” was the first organisation in Germany, which dealt with matters of organic agriculture, health, ecology and the dangers of pesticides to soil and health. Wolfgang von Haller was surely one of the first publishers to introduce the term “Ökologie” in everyday language. V. Haller was very persuasive in his writings and in his lectures, but he was a rather difficult person to be with. Thus the association didn’t have the success in the long run which it might have gained had he been nicer.

After the liquidation the few assets of the association went to the nearby existing “Bauernschule Hohenlohe” and to the “Gärtnerhofstiftung”, who owns a small farm, where children and young adults can learn how organic agriculture works. (www.wacholderhof.de).

More about Wolfgang von Haller and "Gesellschaft Boden und Gesundheit" in my thesis "Der private biologische Gartenbau in Süddeutschland seit 1945 – Die Rolle der Pioniere und Veränderungen im Wissenstransfer".

[1] More about him; www.munzinger.de/search/portrait/Albert+von+Haller/.../9282.html
[2] To my opinion he didn't close his studies with a degree, because he never mentioned it. When he was asked about his profession, he used to answer that he was a „farmer“.
[3] He told me, that he didn’t see any sense in this.
[4] He wrote about agriculture in China later in the magazine „Boden und Gesundheit“ and in his book „Wurzeln der gesunden Welt“.
[5] I presume, that he had been employed in a ministry, but don’t know for sure.
[6] Albert von Haller (Hrsg.): Dokumentation zur Geschichte der Gesellschaft Boden und Gesundheit, self-published, ca. 1984.
[7] Most likely of the British occupying power.
[8] But most of all this has been thrown away respectively was given away. 

Samstag, 1. Juni 2013

Öko-Pioniere in Hohenlohe


Die Wurzeln des biologischen Land- und Gartenbaus in Hohenlohe von 1950 bis ca. 1990

Von Dr. rer. agr. Brunhilde Bross-Burkhardt, Langenburg

Aus heutiger Sicht erscheint es fast so, als ob Bio- bzw. Öko-Anbau schon immer gegeben habe. Bio ist heute Main-Stream. Doch das war nicht immer so. Die Entwicklung hat – wenn man von wenigen biologisch-dynamisch wirtschaftenden Betrieben absieht – nach dem 2. Weltkrieg klein angefangen. Einzelne Personen haben aus eigenem, inneren Antrieb heraus in der Anfangszeit gewirkt und den biologischen Anbau gegen große Widerstände in der Politik und in der Bevölkerung vorangebracht. Biobauern wurden bis in die 1980er-Jahre als „Spinner“ bezeichnet, lächerlich gemacht oder sogar angefeindet. Dieser Artikel würdigt einige herausragende Öko-Pioniere in Hohenlohe.

Bauernschule Hohenlohe in Kirchberg/Jagst-Weckelweiler und Fritz Strempfer
Die Bauernschule Hohenlohe in Kirchberg-Weckelweiler ist eine der wichtigsten Keimzellen für den biologischen Anbau in Deutschland. Sie war die erste Ausbildungsstätte im Bundesgebiet, an der man die Grundzüge des biologischen Landbaus erlernen konnte. Treibende Kraft war der Gründer und Leiter der Bauernschule, der Bauer Fritz Strempfer (1907-2003). Für seine Verdienste um die bäuerliche Landwirtschaft wurde Strempfer 1995 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Er galt als unermüdlicher Kämpfer für den Bauernstand und für den ökologischen Landbau.
Fritz Strempfer bei der Verleihung der Francé-Verdienstmedaille in Dinkelsbühl im Jahr 1991. Foto: abq-Archiv Georg Schallenberger

Fritz Strempfer gründete 1949 die Bauernschule Hohenlohe nach dem Ideen des Dänen Grundtvig als Heimvolkshochschule für die bäuerliche Jugend. Er knüpfte damit an die evangelische Bauernschularbeit in Württemberg vor dem Zweiten Weltkrieg an. Das Kursangebot bestand aus einem vier- bis sechswöchigen Grundkurs und aus einem einwöchigen Aufbaulehrgang für die ehemaligen Schüler. Die Kurse wurden zunächst im Schloss des nahe gelegenen Städtchens Kirchberg/Jagst abgehalten. In den Anfangsjahren der Bauernschule war der biologische Anbau noch kein Thema. Das begann erst nach 1952 mit der Umstellung des Bauernhofes von Fritz Strempfer auf biologisch-dynamischen Anbau. Fritz Strempfer hatte zuvor intensiv mit Düngemitteln gewirtschaftet und bekam Schwierigkeiten mit den Böden und dem Vieh. So suchte er nach einem neuen Weg in der Landwirtschaft und kam in Kontakt zu Demeter-Leuten in Stuttgart. Almar von Wistinghausen, der die biologisch-dynamische Arbeit in Baden-Württemberg aufbauen wollte, schickte Krafft von Heynitz als so genannten Bauernhelfer auf den Hof. (Heute würde man dessen Funktion als Umstellungsberater bezeichnen.) 1960 baute Fritz Strempfer auf dem Hofplatz seines Bauernhofes ein eigenes Gebäude mit Lehrsaal und Schlafräumen für den Schulbetrieb.

Wichtige ländliche Bildungsarbeit
Junge Erwachsene, darunter viele Hofnachfolger, wurden an der Bauernschule in Weckelweiler fachlich unterrichtet. Zum Kursprogramm gehörten auch gesellschaftspolitische und musische Fächer sowie biologischer Gartenbau und Ernährungsthemen. Die Besonderheit in Weckelweiler war die Ausrichtung auf die Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise. Die Bauernschule war jedoch auch offen für Vertreter des organisch-biologischen Land- und Gartenbaus und andere Gruppierungen. Wolfgang von Haller von der „Gesellschaft Boden und Gesundheit e.V.“ im nahe gelegenen Langenburg referierte über die Vergiftung der Umwelt durch Pestizide und über Ernährungsfragen. 

Die Ideen des biologischen Land- und Gartenbaus wurden in der Anfangszeit über kleine Zeitschriften wie Organischer Landbau oder das Nachrichtenblatt Boden und Gesundheit des gleichnamigen Vereins verbreitet.

Wirkung nach außen
Die Existenz der Bauernschule hing vom persönlichen und finanziellen Einsatz von Fritz Strempfer und seiner Mitarbeiterin Else Wolz ab. Anders als die anderen Bauernschulen im Land war die Bauernschule Hohenlohe privat geführt und unabhängig, sie stand weder unter der Regie von Kirchen noch des Bauernverbandes. Die Schule bekam nur geringe Zuschüsse vom Land; sie musste sich weitgehend selbst über die Kursteilnehmer und über Spenden finanzieren.

Fritz Strempfer und Else Wolz hatten ihre ganz eigene Werbemethode für die Kurse. Sie fuhren mit Strempfers Lieferwagen über die Dörfer in Nordwürttemberg und im angrenzenden bayerischen Franken und hängten an Anschlagbrettern, an Scheunentoren und an Buswartehäuschen Werbezettel im Din-A-4-Format für die Bauernschulkurse auf. Sie gingen zu den Bauernfamilien und beknieten diese, den Hofnachfolger oder die Hofnachfolgerin zum Grundkurs zu schicken. Mit dieser Form der Werbung hatten sie Erfolg. Etliche Kursteilnehmer stellten nach der Ausbildung auf biologisch-dynamischen Demeter-Anbau oder auf organisch-biologischen Bioland-Anbau um. So erklärt sich die Häufung von Demeter- und Bioland-Betrieben im Umfeld der Bauernschule Hohenlohe. In Nordwürttemberg und im angrenzenden bayerischen Franken stellten bis in die 1980er-Jahre hinein etwa 150 bis 200 Höfe auf Bioanbau um. 

Else Wolz bei der Verleihung der Francé-Verdienstmedaille in Dinkelsbühl im Jahr 1991. Foto: abq-Archiv Georg Schallenberger

Im Sommer lud die Bauernschule zu Felderbegehungen auf Betriebe in der näheren und weiteren Umgebung ein. Die Felderbegehungen dienten dem fachlichen Austausch der Landwirte und sie boten die Möglichkeit, auch interessierte Verbraucher auf biologische Bewirtschaftungsmethoden aufmerksam zu machen. Oft nahmen weit über 100 Personen an den Begehungen teil. Die vielen Aktivitäten bewirkten allmählich eine Umorientierung in der damals als „konventionell“ bezeichneten allgemein praktizierten Landwirtschaft. 1974 konnte eine der regionalen Molkereien, die Schrozberger Molkerei, dafür gewonnen werden, die Milch der biologisch-dynamisch wirtschaftenden Bauern separat zu erfassen und zu verarbeiten. Die Schrozberger Molkerei brachte deutschlandweit als erste Demeter-Milchprodukte auf den Markt.

Neue Interessentenkreise
In den 1970er- und 1980er-Jahren interessierten sich immer mehr Menschen für Landwirtschaft und Gartenbau, auch viele, die damit vorher nichts zu tun hatten. Speziell für diesen Teilnehmerkreis – Gartenbesitzer, allgemein an einer gesunden Lebensweise Interessierte, Leute aus der Stadt – bot die Bauernschule ab Mitte der 1970er-Jahre kürzere Kurse an. Dabei standen Vorträge über gesunde Ernährung, Alternativmedizin und biologischen Gartenbau sowie Backkurse auf dem Programm. Eine sehr wichtige Referentin war Gertrud Franck (s.u.) aus dem nahe gelegenen Schwäbisch Hall, die ihr Mischkultursystem vorstellte.

Kontakte in die Schweiz
Eine ähnlich wie die Bauernschule in Weckelweiler ausgerichtete Heimvolkshochschule existierte zu der Zeit in der Schweiz, in der Nähe von Bern im Weiler Möschberg: die Schweizerische Bauernheimatschule mit Hausmutterschule. Geführt wurde die Schule von dem studierten Biologen und Politiker Dr. Hans Müller und seiner Frau, der Gärtnerin Maria Müller. Beide Schulen propagierten den biologischen Land- und Gartenbau. Da stellt sich die Frage, inwieweit die beiden Schulen zusammenarbeiteten bzw. sich untereinander austauschten.

In der Tat gab es in den Anfangsjahren Kontakte. Im Juli 1954 veranstaltete die Bauernschule Hohenlohe eine Exkursion zum Möschberg und zu organisch-biologisch wirtschaftenden Betrieben. Else Wolz, die Hauswirtschafterin in Weckelweiler, war begeistert und besuchte Kurse Maria Müllers auf dem Möschberg. Ihr dort erworbenes Wissen über eine gesunde, vitamin- und ballaststoffreiche Ernährung setzte sie in ihrer Küche an der Bauernschule in Weckelweiler um.

Es kam jedoch zu keiner direkten Zusammenarbeit zwischen diesen beiden frühen Zentren des biologischen Land- und Gartenbaus in der Schweiz und in Deutschland. Die beiden Leiter Dr. Hans Müller auf dem Möschberg und Fritz Strempfer an der Bauernschule in Weckelweiler waren zu eigenständige Persönlichkeiten.

Der organisch-biologische Landbau fasst in Deutschland Fuß
Als Folge dieser Exkursion ergab sich jedoch ein anderer Kontakt zwischen Dr. Müller und Hohenlohe, nämlich der zur Gärtnerfamilie Scharpf in Schwäbisch Hall-Hessental. Zeitzeugen berichteten mir, dass Dr. Hans Müller und Gärtnermeister Ernst Scharpf sehr gut miteinander ausgekommen seien. Ernst Scharpf stellte seinen Betrieb schon Ende der 1950er-Jahre auf organisch-biologischen Anbau ohne schnell lösliche Dünger und ohne Pestizide um. Die Art und Weise des Anbaus wurde damals als „Methode Müller/Rusch“ bezeichnet. Das Besondere daran ist die Flächenkompostierung, also das Aufbringen von organischem Material (Frischmist, Gründüngung, Mulchmaterial) auf den Boden und dessen leichtes oberflächliches Einarbeiten mit dem Ziel, die Bodenlebewesen zu fördern und die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen.

Mit solchen Etiketten kam in den 1970er-Jahren organisch-biologisch angebautes Gemüse auf den Markt. Hier ein Etikett der Gärtnerei Knausenberger aus Neuenstein. Archiv Bross-Burkhardt
Die Lehrlinge in der Scharpfschen Gärtnerei lernten bei ihrer täglichen Arbeit diese neue Bewirtschaftungsmethode kennen und praktizierten sie später in ihren eigenen Gärtnereien. In den 1960er-Jahren übernahm der Sohn von Ernst Scharpf, der Gärtnermeister Martin Scharpf, den elterlichen Betrieb und führte die Arbeit fort. Er hielt Kontakt zu Gärtnerkollegen und sah die Notwendigkeit, dem organisch-biologischen Anbau und den organisch-biologisch wirtschaftenden Betrieben eine Struktur zu geben und bereitete die Gründung eines Anbauverbands vor. Die Gründungsversammlung von „bio gemüse – Organisch-biologischer Landbau e.V.“ fand am 25.4.1971 in Honau bei Reutlingen statt. Martin Scharpf wurde 1. Vorsitzender – ein Amt, das er bis 1978 innehatte. Der Verein wurde ins Vereinsregister beim Amtsgericht Schwäbisch Hall eingetragen. Aus diesem Verein entstand nach der Umbenennung in „Fördergemeinschaft organisch-biologischer Land- und Gartenbau e.V.“ der Anbauverband „Bioland e.V. – Verband für organisch-biologischen Landbau“. Dieser ist heute mit ca. 5500 Mitgliedern der größte deutsche Öko-Anbauverband. Er feierte im vergangenen Jahr sein 40-jähriges Bestehen. Rückblickend kann man sagen, dass in der Gärtnerei Scharpf in Schwäbisch Hall-Hessental die kleine Gründung von „Bioland“ stattgefunden hat.

Titelblatt des Mitteilungsblattes der Fördergemeinschaft organisch-biologischer Land- und Gartenbau e.V..
Mischkultur-Pionierin ebenfall in Hohenlohe
Nur wenige Kilometer entfernt von der damaligen Gärtnerei Scharpf, die nicht mehr im Besitz der Familie ist, liegt Schwäbisch Hall-Oberlimpurg mit dem Saatzuchtbetrieb der Familie Franck. Auch von der Oberlimpurg gingen wesentliche Impulse für die Entwicklung des biologischen Land- und Gartenbaus aus, insbesondere für den privaten Gartenbau. Hier erprobte und entwickelte Gertrud Franck (1905-1996) nach dem Zweiten Weltkrieg ihr eigenes Mischkultur-System. Die Mischkultur war nicht ihre Erfindung, sie baute vielmehr auf älteren Erfahrungen und Erprobungen dieser Anbaumethode auf. In ihrem etwa 1 ha großen Guts- und Versuchsgarten kombinierte sie sich gegenseitig fördernde Gemüse und Kräuter und betrieb eine ausgeklügelte Bodenpflege mit Gründüngungssaaten – Spinat, Gelbsenf und Ackerbohnen – und Mulchen bzw. Flächenkompostierung. Sie brauchte zur Selbstversorgung im großen Gutshaushalt mit zeitweise 40 Personen hohe Erträge an Gemüse, Obst und Kräutern.

Gertrud Franck bei der Verleihung der Francé-Verdienstmedaille in Dinkelsbühl im Jahr 1991. Foto: abq-Archiv Georg Schallenberger
Gertrud Franck hatte Erfolg mit ihrer Anbauweise. Ihre Erfahrungen brachte sie auf verschiedenen Wegen an die Öffentlichkeit: über die Ausbildung der weiblichen Lehrlinge in ländlicher Hauswirtschaft, über Vorträge und Gartenführungen sowie über Zeitschriftenartikel und Bücher. Ihr Ziel war es, den Frauen auf dem Land ein praktikables Gartenbausystem an die Hand zu geben, mit dem sie Kräfte schonend hohe Erträge an Gemüse und Obst für die Eigenversorgung erzielen konnten. Dies war in den kargen Nachkriegsjahren existentiell. Zu dieser Zeit ging es noch nicht darum, im heute verstandenen Sinn biologisch zu wirtschaften.

Die Mischkulturbroschüre von Gertrud Franck stellte eine neue Anbaumethode für große Hausgärten vor.
Wolfgang von Haller von der „Gesellschaft Boden und Gesundheit e.V.“ in Langenburg erkannte als Erster Gertrud Francks wegweisende Bedeutung für die Gesundheits- und entstehende Bioanbauszene. Er veröffentlichte im „Nachrichtenblatt Boden und Gesundheit“ von 1957 bis 1965 eine Artikelfolge von Gertrud Franck über Mischkultur und fasste die Artikel in einer Broschüre „Gesundheit durch Mischkultur“ zusammen. Diese Broschüre mit einem genauen Anbauplan wurde in acht Auflagen mit einer Gesamtauflage von 55.000 Exemplaren gedruckt. Ab Mitte der 1970er-Jahre, mit der entstehenden Öko-Bewegung, vergrößerte sich der Bekanntheitsgrad und der Aktionsradius der Biogärtnerin noch weiter. Ihr umfassendes Wissen und ihr großer Erfahrungsschatz machten sie zu einer gefragten Ratgeberin. Sie schrieb weitere Bücher und war noch mit fast 80 Jahren in ganz Deutschland und sogar im Ausland unterwegs zu Vortragsreisen.

Situation heute
Bis etwa Mitte der 1980er-Jahre prägten die in diesem Artikel vorgestellten Vereine und Pionier-Persönlichkeiten aus Hohenlohe das Geschehen im biologischen Anbau bundesweit entscheidend mit. Alle in diesem Artikel erwähnten Personen leben nicht mehr. Die Gesellschaft Boden und Gesundheit e.V. wurde 1988 aufgelöst. 

Gut besuchte Veranstaltung im Frühjahr 2008 im Lehrsaal der Bauernschule Hohenlohe in Kirchberg-Weckelweiler. Foto: Brunhilde Bross-Burkhardt
Die Bauernschule Hohenlohe e.V. existiert noch. Ehemalige Absolventen der Bauernschule und ein Personenkreis, der sich dem Erbe von Fritz Strempfer und Else Wolz verpflichtet fühlt, führt den gemeinnützigen Verein weiter. Vor kurzem hat Hartmut Heilmann aus Kirchberg den Vorsitz des Vereins übernommen. So leben die Ideen und Ziele der Pioniere fort – nicht mehr am ursprünglichen Ort des Wirkens, aber in Tausenden von Biobetrieben und in privaten biologisch bewirtschafteten Gärten.
Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt          

Bio-Anbau contra Chemie im Landbau
In der Rückschau betrachtet ist der biologische bzw. ökologische Land- und Gartenbau wie wir ihn heute kennen im Wesentlichen als Gegenbewegung zur zunehmenden Chemisierung in Land- und Gartenbau entstanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten die großen Chemie-Unternehmen in schneller Folge chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel, die sehr rasch von Bauern, Gärtnern und privaten Gartenbesitzern angewandt wurden, weil sie die Arbeit erleichterten und hohe Erträge von oberflächlich gesundem makellosen Obst und Gemüse ermöglichten. Dass die neuen, zunächst hoch willkommenen, Pflanzenschutzmittel giftig sind, wussten Landwirte und Gärtner um 1950 noch nicht. Erst nach und nach wurden die Bedrohungen des Pestizideinsatzes für Menschen, Tiere, Böden und das ganze Ökosystem bekannt. Die Pioniere des biologischen Land- und Gartenbaus hatten an der Aufklärung darüber wesentlichen Anteil. Mehr noch, sie entwickelten neue Methoden und propagierten sie in der Erwachsenenbildung sowie über Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen. bb


Literatur:
Bross-Burkhardt, Brunhilde: Der private biologische Gartenbau in Süddeutschland seit 1945 – Die Rolle der Pioniere und Veränderungen im Wissenstransfer. 2011. Selbstverlag der Autorin, Aubäcker 10, 74595 Langenburg (www.bross-burkhardt.de)

Franck, Gertrud: Gesunder Garten durch Mischkultur. 2. Auflage 1980, Südwest Verlag München (vergriffen)

Gaasch, Karlheinz; Kuhne, Wilhelm; Emmerling, Albert: Geschichte des Verbandes Ländlicher Heimvolkshochschulen Deutschlands. Band II. Hermannsburg, Druck- und Kommissionsverlag Missionshandlung, 1991

Greiner, Andreas: Wurzeln des organisch-biologischen Landbaus. Interview mit Brunhilde Bross-Burkhardt. In: bioland 8/2011, S. 23-25