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Mittwoch, 12. März 2014

Gertrud Franck und meine Begegnungen mit ihr


Vorträge und Publikationen über Gertrud Francks Mischkultursystem


Von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt


Gertrud Franck sah ich das erste Mal im Winter 1975/76 auf einer Veranstaltung der Bauernschule Hohenlohe in Kirchberg-Weckelweiler. Ich nahm dort an einem Einführungskurs in biologische Wirtschaftsweisen teil. Sie referierte, wie schon so oft zuvor, über die Mischkultur. Ihre Anbauweise faszinierte mich. Damals ahnte ich jedoch noch nicht, dass sie in meinem späteren Leben ziemlich wichtig für mich werden sollte. Ich hatte damals gerade mit dem Landwirtschaftsstudium in Hohenheim begonnen und wollte alles anders machen, neuen Ideen nachgehen, die Menschheit beglücken. Da kam der biologische Anbau mit allen Facetten gerade recht. Ich besuchte auch die studentische Bioanbau-Arbeitsgruppe, die es damals in Hohenheim gab.

Nach dem Vordiplom wechselte ich an die Christian-Albrechts-Universität in Kiel. Eine meiner ersten Aktionen dort war, einen Kleingarten zu pachten und mit der Mischkultur loszulegen. Einige Teilnehmer unserer Arbeitsgruppe „Biologischer Anbau“ konnte ich zum Mitmachen gewinnen. (Im Endeffekt war es dann doch hauptsächlich ich, die den Garten betreute.) Das Gartenexperiment scheiterte ziemlich, jedoch aus einem anderen Grund. Ich hatte, ahnungslos, eine Parzelle in einer Senke gepachtet, die von tiefreichenden Ackerschachtelhalmrhizomen durchzogen war. Die Mischkulturexperimente mündeten deshalb hauptsächlich in einen Kampf mit dem schlimmen Wurzelunkraut. Parallel zu den privaten Gartenexperimenten legte ich zusammen mit Kommilitonen auf dem Gelände eines Biobauern Parzellenversuche an – Untersaaten in Getreide usw. Diese werteten wir auch aus.

Die Begeisterung fürs biologische Gärtnern war so groß, dass ich mich entschloss, einige Wochen lang im „Schulungszentrum Hohenbuchen“ in Hamburg mitzuarbeiten. Auch dort wurde Gemüse in Mischkultur angebaut. Einige Dias vom dortigen Anbau habe ich noch im Archiv. Ich war so überzeugt von der Methode, dass ich im letzten Studienjahr 1980 an der Volkshochschule in Kiel einen Kurs „Biologisch gärtnern“ anbot.

Gegen Ende des Studiums war mir klar, dass ich im Bereich des biologischen Anbaus beruflich tätig werden wollte. Es gab verschiedene Optionen, u.a. auch wissenschaftlich zu arbeiten. Ich entschied mich jedoch für eine Mitarbeit bei der Gesellschaft Boden und Gesundheit e.V., wo ich die einmalige Chance hatte, die Nachfolge von Wolfgang von Haller als Schriftleiterin anzutreten. Und da schloss sich der Kreis. Bei der Gesellschaft Boden und Gesundheit kam ich sofort wieder mit Gertrud Franck und der Mischkultur in Berührung. Im gleichnamigen Verlag war nämlich ihre kleine Mischkulturbroschüre erschienen. Wolfgang von Haller hatte Gertrud Franck bereits in den 1950er-Jahren entdeckt bzw. Gertrud Franck kam auf Wolfgang von Haller zu. Sie schrieb im Verlauf mehrerer Jahre einige Zeitschriftenartikel über ihre Anbauweise für das „Nachrichtenblatt Boden und Gesundheit“, illustriert mit Fotos ihres Mannes Dr. Hannfried Franck. Wolfgang von Haller kam auf die Idee, die gesammelten Zeitschriftenartikel zusammenzufassen und eine Broschüre daraus zu machen. Diese erschien in dem kleinen Verlag Boden und Gesundheit und hatte großen Erfolg. In mehreren Auflagen bis 1980 wurden etwa 50 000 Exemplare gedruckt. Besonders große Nachfrage gab es Ende der 1970er-Jahre mit der hochschwappenden Öko-Bewegung. Da wollten plötzlich viele umweltbewusste Menschen giftfrei anbauen und suchten nach praxisnahen Anleitungen, sich selbst zu versorgen.

Gertrud Franck hatte sich zu der Zeit bereits mit Wolfgang von Haller überworfen. Ihr neues, umfangreicheres Mischkulturbuch verlegte Georg E. Siebeneicher. Der hatte sie zu dem Werk ermutigt. Ihr Mann fotografierte auch für dieses Buch selbst im Mischkulturgarten in Schwäbisch-Hall-Oberlimpurg. Die Francks hielten trotz des Zwists mit Wolfgang von Haller weiter Kontakt zu Boden und Gesundheit. Gertrud Franck gewann Jakobus Langerhorst, der in Österreich einen kleinen Gärtnerhof betrieb, für Boden und Gesundheit weiter Artikel über seine Mischkulturerfahrungen zu schreiben. Ich besuchte Gertrud Franck in ihrem Haus und Garten auf der Oberlimpurg. Es war ein moderner Bungalow, neben dem Gutsgebäude der Saatzucht Oberlimpurg, die ihr Mann an den Sohn Peter übergeben hatte.

Gertrud und Hannfried Franck 1982 im Gespräch mit Georg Schallenberger. Foto: Schallenberger
Es war für mich selbstverständlich, dass ich gleich nach meinem Start bei Boden und Gesundheit einen Kurs „Biologisch gärtnern“ anbot, zunächst an der Volkshochschule in Künzelsau. 10 Abende lang war dieser Kurs, den ich zusammen mit meinem damaligen Freund und Studienkollegen Carsten Lüthje hielt. Dort konnten wir unser Uni-Wissen gepaart mit dem praktischen Wissen an wirklich interessierte Kursteilnehmer weitergeben. Diesen langen Kurs hielten wir mehrmals. Wir bauten jeweils einen Praxisteil ein sowie eine Exkursion. Im Praxisteil demonstrierten wir in einem Privatgarten, wie man kompostiert. Aus dem Pachtgarten in Kiel, aus dem Boden-und-Gesundheit-Garten und aus diversen Praktika auf Höfen hatten wir die nötige Erfahrung. Zur Veranschaulichung zeigten wir Dias, teils eigene, teils von Gertrud Francks Mann Dr. Hannfried Franck ausgeliehene Dias in Glasrähmchen.

Gertrud Francks Mischkulturplan für die Landesgartenschau in Schwäbisch Hall 1982.
In meine beiden Jahre als Schriftleiterin des Nachrichtenblattes Boden und Gesundheit fiel auch die Landesgartenschau in Schwäbisch Hall. Gertrud Franck plante den Mischkulturgarten aus dem Ausstellungsgelände. Er lag malerisch zu Füßen der Klosteranlage Comburg. Hans-Martin Scharpf, der Begründer von „Bioland“ und damalige 1. Vorsitzende der Bioanbau-Organisation, legte den Garten an. Ich war also mittendrin im Geschehen des Aufbaus der Anbauorganisation. Die Landesgartenschau in Schwäbisch Hall war damals die zweite dieser Art in Baden-Württemberg. Die „Arbeitsgemeinschaft für Bodenfruchtbarkeit und Qualitätserzeugung e.V.“ hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Lehrgärten auf Landesgartenschauen zu betreiben. Ihre Mitglieder und die des Partnervereins „Arbeitsgemeinschaft für gesunde Lebensweise“ betreuten die Anlage und standen als Ansprechpartner für biologisches Gärtnern vor Ort zur Verfügung. Auch ich war zur Betreuung des Mischkulturgartens eingeteilt. Ich kann mich genau erinnern, dass die Leute sich wunderten, wie der Francksche Garten mit den Liniensaaten von Spinat und Ackerbohne und den gemulchten Reihen aussah. Den meisten gefiel diese „unordentliche“ Anlage nicht.

Gertrud Franck, die damals 77 oder 78 Jahre alt war, wollte sich dann allmählich zurückziehen. Sie bat mich, einen Teil ihrer Vorträge zu übernehmen. Sie hatte Einladungen aus allen Teilen der Bundesrepublik. So kam es, dass ich zu Vorträgen nach Aachen und Hannover und sonstwohin fuhr und ihre Mischkulturmethode vorstellte – mit eigenen Dias und mit einer Diaserie von ihr. Auch einen Teil der Bauernschulkurse übernahm ich von ihr. Die Leute waren damals für praktische Anregungen sehr dankbar. Es gab auch viele schriftliche Anfragen. Die Leute wollten giftfrei gärtnern und da schien die Mischkulturmethode die geeignete zu sein. Volkshochschulen boten damals Kurse und einzelne Vorträge an. Beim baden-württembergischen Volkshochschulverband gab es sogar einen Mitarbeiter, der diese Kurse koordinierte und Treffen der Kursleiter veranstaltete. Von diesen Treffen wurden sogar Dokumentationen erstellt. (Diese Teilnehmerliste habe ich. Viele bekannte Persönlichkeiten der späteren Bioanbauszene finden sich auf der Teilnehmerliste.)

Kirchliche Institutionen entdeckten ebenfalls die gesellschaftliche Bedeutung des Bioanbaus. Sie boten Kurse und einzelne Vorträge an. Mit etwas Verzögerung folgten die Landfrauenvereine. Da es von diesen so viele gab (und gibt) war insgesamt die Nachfrage nach Vorträgen von dort am größten. In der heißen Phase in den 1980er-Jahren hielt ich sicher einige hundert Vorträge über Mischkultur und Bioanbau allgemein. In einer Woche waren es einmal 10 Vorträge, an jedem Wochentag zwei, einer nachmittags, einer abends! Ein unglaubliches Pensum.

Parallel zu dieser mehr praktischen Arbeit versuchte ich weiter wissenschaftlich zu arbeiten. Besorgte über Fernleihe Artikel zur Mischkulturthematik und zu angrenzenden Themengebieten wie der Allelopathie bei Pflanzen. Dies mit der vagen Idee, darüber einmal zu promovieren. Meine Mischkulturrecherche in dieser Zeitphase kam mir Jahrzehnte später zugute, als ich tatsächlich an meiner Dissertation arbeitete.

Nach meiner Kündigung bei „Boden und Gesundheit“ führte ich für die Redaktion einige Zeit weiter und blieb deshalb weiter in Kontakt mit den Mitgliedern und Autoren. Die meisten Kontakte erhielt ich aufrecht, als ich freiberuflich für Georg E. Siebeneicher und dann als Schriftleiterin der von mir neu konzipierten Zeitschrift „GartenLand“ arbeitete. Bei „GartenLand“ stand die Mischkultur ganz oben auf der Themenliste. Ich bzw. die anderen Autoren versuchten das doch etwas komplizierte Mischkultursystem möglichst anschaulich darzustellen. Es war immer die Schwierigkeit, dieses zeitlich und räumlich ineinandergeschachtelte System verständlich darzustellen. Das ging nur mit Fotos, die die Abfolge in der Mischkultur zeigten, ersatzweise mit Zeichnungen. Man brauchte, um alles richtig zu machen, immer eine schriftliche Anleitung. Nur so aus dem Kopf ließ sich das nicht machen. Deshalb gingen viele Mischkulturgärtner mit dem Büchlein von Gertrud Franck oder mit selbst gezeichneten Plänen in den Garten, um alles richtig zu machen. Es kam ja schließlich auf die richtige Kombination an. Und es kam auf die richtigen Reihenabstände an. Die mussten exakt ausgemessen werden. (Gertrud Franck selbst hatte in ihrem Garten eine geschickte Einteilung. Sie orientierte sich am Maß der Platten auf ihren Gartenwegen. Sie hatte bewusst Platten mit den Maßen 50 x 50 cm verlegt und konnte so immer die Pflanzschnur am Stoß oder auf halber Strecke stecken.) Solche Details ließen sich gut vermitteln.

Mein weiterer beruflicher und privater Weg führte mich zunächst nach Neumarkt in der Oberpfalz und schließlich nach Stuttgart-Hohenheim zum Verlag Eugen Ulmer. Dort konnte ich das Francksche Mischkultursystem zunächst in der Zeitschrift „GartenLand“ vorstellen. Nach dem Verkauf der Zeitschrift kam ich in die Position als Redakteurin beim „Württembergischen Wochenblatt für Landwirtschaft“, wo ich für die Gartenseiten (Rubrik „LandGarten“ ) und andere wechselnde Rubriken verantwortlich war. Auch da brachte ich Beiträge über die Mischkultur.

Allerdings gab es da eine Zäsur. Nach der Tschernobylkatastrophe 1986 wollte niemand mehr etwas von Bioanbau und Gemüseanbau im Garten wissen. Ab da gab es kaum noch Nachfrage nach Vorträgen.

Der Kontakt zu Gertrud Franck blieb weiter bestehen. Sie nahm Ende der 1980er-Jahre Kontakt zu mir auf und teilte mir mit, dass sie und ihr Mann jetzt in einem der Hannibal-Hochhäuser in Stuttgart-Birkach leben würden. Haus und Garten auf der Oberlimpurg blieben zurück. Eine radikale Zäsur für Gertrud und Hannfried Franck!

Ich besuchte die beiden zusammen mit meinem Mann häufig. Sie erzählten viel über ihr langes Leben, die vielen Menschen, mit denen sie Kontakt gehabt hatten. In ihrer Hochhauswohnung mit dem weiten Blick über die Filderebene und das Gelände der Universität Hohenheim wandten sich Gertrud Franck und ihr Mann nun anderen Themen zu: Sie arbeiteten an einer Dokumentation der eigenen Familiengeschichte und an einer Dokumentation der Bauernschulen in Württemberg. Diese Dokumentationen ließen sie in kleiner Auflage drucken. Sie lieferten mir weitere Einblicke in die Entstehungsgeschichte des biologischen Anbaus.

(Gertrud Francks Wirken muss auch im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit ihres Mannes Dr. Hannfried Franck gesehen werden. Der Saatzuchtunternehmer Dr. Hannfried Franck wurde 1987 für seine pflanzenzüchterischen Leistungen mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Außerdem erhielt er die Ehrensenatorwürde der Universität Hohenheim.)

Heute reden alle wieder von Mischkultur. In jedem Gartenbuch wird sie thematisiert. Niemand sonst hat sie so gründlich erprobt wie Gertrud Franck in ihrem Gutsgarten. Sie betrieb Versuchsanbau, so wie es damals möglich war. Ich wage zu behaupten, dass fast alle nachfolgenden Veröffentlichungen auf ihren Angaben beruhen und niemand mehr sich die Mühe gemacht hat, die Mischkultur systematisch zu erforschen.

Mehr über Gertrud Franck und ihr Mischkultursystem steht in meiner Dissertation "Der private biologische Gartenbau in Süddeutschland seit 1945 – Die Rolle der Pioniere und Veränderungen im Wissenstransfer". Gertrud Francks Veröffentlichungen sind nur noch antiquarisch erhältlich.


Samstag, 1. Juni 2013

Öko-Pioniere in Hohenlohe


Die Wurzeln des biologischen Land- und Gartenbaus in Hohenlohe von 1950 bis ca. 1990

Von Dr. rer. agr. Brunhilde Bross-Burkhardt, Langenburg

Aus heutiger Sicht erscheint es fast so, als ob Bio- bzw. Öko-Anbau schon immer gegeben habe. Bio ist heute Main-Stream. Doch das war nicht immer so. Die Entwicklung hat – wenn man von wenigen biologisch-dynamisch wirtschaftenden Betrieben absieht – nach dem 2. Weltkrieg klein angefangen. Einzelne Personen haben aus eigenem, inneren Antrieb heraus in der Anfangszeit gewirkt und den biologischen Anbau gegen große Widerstände in der Politik und in der Bevölkerung vorangebracht. Biobauern wurden bis in die 1980er-Jahre als „Spinner“ bezeichnet, lächerlich gemacht oder sogar angefeindet. Dieser Artikel würdigt einige herausragende Öko-Pioniere in Hohenlohe.

Bauernschule Hohenlohe in Kirchberg/Jagst-Weckelweiler und Fritz Strempfer
Die Bauernschule Hohenlohe in Kirchberg-Weckelweiler ist eine der wichtigsten Keimzellen für den biologischen Anbau in Deutschland. Sie war die erste Ausbildungsstätte im Bundesgebiet, an der man die Grundzüge des biologischen Landbaus erlernen konnte. Treibende Kraft war der Gründer und Leiter der Bauernschule, der Bauer Fritz Strempfer (1907-2003). Für seine Verdienste um die bäuerliche Landwirtschaft wurde Strempfer 1995 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Er galt als unermüdlicher Kämpfer für den Bauernstand und für den ökologischen Landbau.
Fritz Strempfer bei der Verleihung der Francé-Verdienstmedaille in Dinkelsbühl im Jahr 1991. Foto: abq-Archiv Georg Schallenberger

Fritz Strempfer gründete 1949 die Bauernschule Hohenlohe nach dem Ideen des Dänen Grundtvig als Heimvolkshochschule für die bäuerliche Jugend. Er knüpfte damit an die evangelische Bauernschularbeit in Württemberg vor dem Zweiten Weltkrieg an. Das Kursangebot bestand aus einem vier- bis sechswöchigen Grundkurs und aus einem einwöchigen Aufbaulehrgang für die ehemaligen Schüler. Die Kurse wurden zunächst im Schloss des nahe gelegenen Städtchens Kirchberg/Jagst abgehalten. In den Anfangsjahren der Bauernschule war der biologische Anbau noch kein Thema. Das begann erst nach 1952 mit der Umstellung des Bauernhofes von Fritz Strempfer auf biologisch-dynamischen Anbau. Fritz Strempfer hatte zuvor intensiv mit Düngemitteln gewirtschaftet und bekam Schwierigkeiten mit den Böden und dem Vieh. So suchte er nach einem neuen Weg in der Landwirtschaft und kam in Kontakt zu Demeter-Leuten in Stuttgart. Almar von Wistinghausen, der die biologisch-dynamische Arbeit in Baden-Württemberg aufbauen wollte, schickte Krafft von Heynitz als so genannten Bauernhelfer auf den Hof. (Heute würde man dessen Funktion als Umstellungsberater bezeichnen.) 1960 baute Fritz Strempfer auf dem Hofplatz seines Bauernhofes ein eigenes Gebäude mit Lehrsaal und Schlafräumen für den Schulbetrieb.

Wichtige ländliche Bildungsarbeit
Junge Erwachsene, darunter viele Hofnachfolger, wurden an der Bauernschule in Weckelweiler fachlich unterrichtet. Zum Kursprogramm gehörten auch gesellschaftspolitische und musische Fächer sowie biologischer Gartenbau und Ernährungsthemen. Die Besonderheit in Weckelweiler war die Ausrichtung auf die Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise. Die Bauernschule war jedoch auch offen für Vertreter des organisch-biologischen Land- und Gartenbaus und andere Gruppierungen. Wolfgang von Haller von der „Gesellschaft Boden und Gesundheit e.V.“ im nahe gelegenen Langenburg referierte über die Vergiftung der Umwelt durch Pestizide und über Ernährungsfragen. 

Die Ideen des biologischen Land- und Gartenbaus wurden in der Anfangszeit über kleine Zeitschriften wie Organischer Landbau oder das Nachrichtenblatt Boden und Gesundheit des gleichnamigen Vereins verbreitet.

Wirkung nach außen
Die Existenz der Bauernschule hing vom persönlichen und finanziellen Einsatz von Fritz Strempfer und seiner Mitarbeiterin Else Wolz ab. Anders als die anderen Bauernschulen im Land war die Bauernschule Hohenlohe privat geführt und unabhängig, sie stand weder unter der Regie von Kirchen noch des Bauernverbandes. Die Schule bekam nur geringe Zuschüsse vom Land; sie musste sich weitgehend selbst über die Kursteilnehmer und über Spenden finanzieren.

Fritz Strempfer und Else Wolz hatten ihre ganz eigene Werbemethode für die Kurse. Sie fuhren mit Strempfers Lieferwagen über die Dörfer in Nordwürttemberg und im angrenzenden bayerischen Franken und hängten an Anschlagbrettern, an Scheunentoren und an Buswartehäuschen Werbezettel im Din-A-4-Format für die Bauernschulkurse auf. Sie gingen zu den Bauernfamilien und beknieten diese, den Hofnachfolger oder die Hofnachfolgerin zum Grundkurs zu schicken. Mit dieser Form der Werbung hatten sie Erfolg. Etliche Kursteilnehmer stellten nach der Ausbildung auf biologisch-dynamischen Demeter-Anbau oder auf organisch-biologischen Bioland-Anbau um. So erklärt sich die Häufung von Demeter- und Bioland-Betrieben im Umfeld der Bauernschule Hohenlohe. In Nordwürttemberg und im angrenzenden bayerischen Franken stellten bis in die 1980er-Jahre hinein etwa 150 bis 200 Höfe auf Bioanbau um. 

Else Wolz bei der Verleihung der Francé-Verdienstmedaille in Dinkelsbühl im Jahr 1991. Foto: abq-Archiv Georg Schallenberger

Im Sommer lud die Bauernschule zu Felderbegehungen auf Betriebe in der näheren und weiteren Umgebung ein. Die Felderbegehungen dienten dem fachlichen Austausch der Landwirte und sie boten die Möglichkeit, auch interessierte Verbraucher auf biologische Bewirtschaftungsmethoden aufmerksam zu machen. Oft nahmen weit über 100 Personen an den Begehungen teil. Die vielen Aktivitäten bewirkten allmählich eine Umorientierung in der damals als „konventionell“ bezeichneten allgemein praktizierten Landwirtschaft. 1974 konnte eine der regionalen Molkereien, die Schrozberger Molkerei, dafür gewonnen werden, die Milch der biologisch-dynamisch wirtschaftenden Bauern separat zu erfassen und zu verarbeiten. Die Schrozberger Molkerei brachte deutschlandweit als erste Demeter-Milchprodukte auf den Markt.

Neue Interessentenkreise
In den 1970er- und 1980er-Jahren interessierten sich immer mehr Menschen für Landwirtschaft und Gartenbau, auch viele, die damit vorher nichts zu tun hatten. Speziell für diesen Teilnehmerkreis – Gartenbesitzer, allgemein an einer gesunden Lebensweise Interessierte, Leute aus der Stadt – bot die Bauernschule ab Mitte der 1970er-Jahre kürzere Kurse an. Dabei standen Vorträge über gesunde Ernährung, Alternativmedizin und biologischen Gartenbau sowie Backkurse auf dem Programm. Eine sehr wichtige Referentin war Gertrud Franck (s.u.) aus dem nahe gelegenen Schwäbisch Hall, die ihr Mischkultursystem vorstellte.

Kontakte in die Schweiz
Eine ähnlich wie die Bauernschule in Weckelweiler ausgerichtete Heimvolkshochschule existierte zu der Zeit in der Schweiz, in der Nähe von Bern im Weiler Möschberg: die Schweizerische Bauernheimatschule mit Hausmutterschule. Geführt wurde die Schule von dem studierten Biologen und Politiker Dr. Hans Müller und seiner Frau, der Gärtnerin Maria Müller. Beide Schulen propagierten den biologischen Land- und Gartenbau. Da stellt sich die Frage, inwieweit die beiden Schulen zusammenarbeiteten bzw. sich untereinander austauschten.

In der Tat gab es in den Anfangsjahren Kontakte. Im Juli 1954 veranstaltete die Bauernschule Hohenlohe eine Exkursion zum Möschberg und zu organisch-biologisch wirtschaftenden Betrieben. Else Wolz, die Hauswirtschafterin in Weckelweiler, war begeistert und besuchte Kurse Maria Müllers auf dem Möschberg. Ihr dort erworbenes Wissen über eine gesunde, vitamin- und ballaststoffreiche Ernährung setzte sie in ihrer Küche an der Bauernschule in Weckelweiler um.

Es kam jedoch zu keiner direkten Zusammenarbeit zwischen diesen beiden frühen Zentren des biologischen Land- und Gartenbaus in der Schweiz und in Deutschland. Die beiden Leiter Dr. Hans Müller auf dem Möschberg und Fritz Strempfer an der Bauernschule in Weckelweiler waren zu eigenständige Persönlichkeiten.

Der organisch-biologische Landbau fasst in Deutschland Fuß
Als Folge dieser Exkursion ergab sich jedoch ein anderer Kontakt zwischen Dr. Müller und Hohenlohe, nämlich der zur Gärtnerfamilie Scharpf in Schwäbisch Hall-Hessental. Zeitzeugen berichteten mir, dass Dr. Hans Müller und Gärtnermeister Ernst Scharpf sehr gut miteinander ausgekommen seien. Ernst Scharpf stellte seinen Betrieb schon Ende der 1950er-Jahre auf organisch-biologischen Anbau ohne schnell lösliche Dünger und ohne Pestizide um. Die Art und Weise des Anbaus wurde damals als „Methode Müller/Rusch“ bezeichnet. Das Besondere daran ist die Flächenkompostierung, also das Aufbringen von organischem Material (Frischmist, Gründüngung, Mulchmaterial) auf den Boden und dessen leichtes oberflächliches Einarbeiten mit dem Ziel, die Bodenlebewesen zu fördern und die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen.

Mit solchen Etiketten kam in den 1970er-Jahren organisch-biologisch angebautes Gemüse auf den Markt. Hier ein Etikett der Gärtnerei Knausenberger aus Neuenstein. Archiv Bross-Burkhardt
Die Lehrlinge in der Scharpfschen Gärtnerei lernten bei ihrer täglichen Arbeit diese neue Bewirtschaftungsmethode kennen und praktizierten sie später in ihren eigenen Gärtnereien. In den 1960er-Jahren übernahm der Sohn von Ernst Scharpf, der Gärtnermeister Martin Scharpf, den elterlichen Betrieb und führte die Arbeit fort. Er hielt Kontakt zu Gärtnerkollegen und sah die Notwendigkeit, dem organisch-biologischen Anbau und den organisch-biologisch wirtschaftenden Betrieben eine Struktur zu geben und bereitete die Gründung eines Anbauverbands vor. Die Gründungsversammlung von „bio gemüse – Organisch-biologischer Landbau e.V.“ fand am 25.4.1971 in Honau bei Reutlingen statt. Martin Scharpf wurde 1. Vorsitzender – ein Amt, das er bis 1978 innehatte. Der Verein wurde ins Vereinsregister beim Amtsgericht Schwäbisch Hall eingetragen. Aus diesem Verein entstand nach der Umbenennung in „Fördergemeinschaft organisch-biologischer Land- und Gartenbau e.V.“ der Anbauverband „Bioland e.V. – Verband für organisch-biologischen Landbau“. Dieser ist heute mit ca. 5500 Mitgliedern der größte deutsche Öko-Anbauverband. Er feierte im vergangenen Jahr sein 40-jähriges Bestehen. Rückblickend kann man sagen, dass in der Gärtnerei Scharpf in Schwäbisch Hall-Hessental die kleine Gründung von „Bioland“ stattgefunden hat.

Titelblatt des Mitteilungsblattes der Fördergemeinschaft organisch-biologischer Land- und Gartenbau e.V..
Mischkultur-Pionierin ebenfall in Hohenlohe
Nur wenige Kilometer entfernt von der damaligen Gärtnerei Scharpf, die nicht mehr im Besitz der Familie ist, liegt Schwäbisch Hall-Oberlimpurg mit dem Saatzuchtbetrieb der Familie Franck. Auch von der Oberlimpurg gingen wesentliche Impulse für die Entwicklung des biologischen Land- und Gartenbaus aus, insbesondere für den privaten Gartenbau. Hier erprobte und entwickelte Gertrud Franck (1905-1996) nach dem Zweiten Weltkrieg ihr eigenes Mischkultur-System. Die Mischkultur war nicht ihre Erfindung, sie baute vielmehr auf älteren Erfahrungen und Erprobungen dieser Anbaumethode auf. In ihrem etwa 1 ha großen Guts- und Versuchsgarten kombinierte sie sich gegenseitig fördernde Gemüse und Kräuter und betrieb eine ausgeklügelte Bodenpflege mit Gründüngungssaaten – Spinat, Gelbsenf und Ackerbohnen – und Mulchen bzw. Flächenkompostierung. Sie brauchte zur Selbstversorgung im großen Gutshaushalt mit zeitweise 40 Personen hohe Erträge an Gemüse, Obst und Kräutern.

Gertrud Franck bei der Verleihung der Francé-Verdienstmedaille in Dinkelsbühl im Jahr 1991. Foto: abq-Archiv Georg Schallenberger
Gertrud Franck hatte Erfolg mit ihrer Anbauweise. Ihre Erfahrungen brachte sie auf verschiedenen Wegen an die Öffentlichkeit: über die Ausbildung der weiblichen Lehrlinge in ländlicher Hauswirtschaft, über Vorträge und Gartenführungen sowie über Zeitschriftenartikel und Bücher. Ihr Ziel war es, den Frauen auf dem Land ein praktikables Gartenbausystem an die Hand zu geben, mit dem sie Kräfte schonend hohe Erträge an Gemüse und Obst für die Eigenversorgung erzielen konnten. Dies war in den kargen Nachkriegsjahren existentiell. Zu dieser Zeit ging es noch nicht darum, im heute verstandenen Sinn biologisch zu wirtschaften.

Die Mischkulturbroschüre von Gertrud Franck stellte eine neue Anbaumethode für große Hausgärten vor.
Wolfgang von Haller von der „Gesellschaft Boden und Gesundheit e.V.“ in Langenburg erkannte als Erster Gertrud Francks wegweisende Bedeutung für die Gesundheits- und entstehende Bioanbauszene. Er veröffentlichte im „Nachrichtenblatt Boden und Gesundheit“ von 1957 bis 1965 eine Artikelfolge von Gertrud Franck über Mischkultur und fasste die Artikel in einer Broschüre „Gesundheit durch Mischkultur“ zusammen. Diese Broschüre mit einem genauen Anbauplan wurde in acht Auflagen mit einer Gesamtauflage von 55.000 Exemplaren gedruckt. Ab Mitte der 1970er-Jahre, mit der entstehenden Öko-Bewegung, vergrößerte sich der Bekanntheitsgrad und der Aktionsradius der Biogärtnerin noch weiter. Ihr umfassendes Wissen und ihr großer Erfahrungsschatz machten sie zu einer gefragten Ratgeberin. Sie schrieb weitere Bücher und war noch mit fast 80 Jahren in ganz Deutschland und sogar im Ausland unterwegs zu Vortragsreisen.

Situation heute
Bis etwa Mitte der 1980er-Jahre prägten die in diesem Artikel vorgestellten Vereine und Pionier-Persönlichkeiten aus Hohenlohe das Geschehen im biologischen Anbau bundesweit entscheidend mit. Alle in diesem Artikel erwähnten Personen leben nicht mehr. Die Gesellschaft Boden und Gesundheit e.V. wurde 1988 aufgelöst. 

Gut besuchte Veranstaltung im Frühjahr 2008 im Lehrsaal der Bauernschule Hohenlohe in Kirchberg-Weckelweiler. Foto: Brunhilde Bross-Burkhardt
Die Bauernschule Hohenlohe e.V. existiert noch. Ehemalige Absolventen der Bauernschule und ein Personenkreis, der sich dem Erbe von Fritz Strempfer und Else Wolz verpflichtet fühlt, führt den gemeinnützigen Verein weiter. Vor kurzem hat Hartmut Heilmann aus Kirchberg den Vorsitz des Vereins übernommen. So leben die Ideen und Ziele der Pioniere fort – nicht mehr am ursprünglichen Ort des Wirkens, aber in Tausenden von Biobetrieben und in privaten biologisch bewirtschafteten Gärten.
Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt          

Bio-Anbau contra Chemie im Landbau
In der Rückschau betrachtet ist der biologische bzw. ökologische Land- und Gartenbau wie wir ihn heute kennen im Wesentlichen als Gegenbewegung zur zunehmenden Chemisierung in Land- und Gartenbau entstanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten die großen Chemie-Unternehmen in schneller Folge chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel, die sehr rasch von Bauern, Gärtnern und privaten Gartenbesitzern angewandt wurden, weil sie die Arbeit erleichterten und hohe Erträge von oberflächlich gesundem makellosen Obst und Gemüse ermöglichten. Dass die neuen, zunächst hoch willkommenen, Pflanzenschutzmittel giftig sind, wussten Landwirte und Gärtner um 1950 noch nicht. Erst nach und nach wurden die Bedrohungen des Pestizideinsatzes für Menschen, Tiere, Böden und das ganze Ökosystem bekannt. Die Pioniere des biologischen Land- und Gartenbaus hatten an der Aufklärung darüber wesentlichen Anteil. Mehr noch, sie entwickelten neue Methoden und propagierten sie in der Erwachsenenbildung sowie über Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen. bb


Literatur:
Bross-Burkhardt, Brunhilde: Der private biologische Gartenbau in Süddeutschland seit 1945 – Die Rolle der Pioniere und Veränderungen im Wissenstransfer. 2011. Selbstverlag der Autorin, Aubäcker 10, 74595 Langenburg (www.bross-burkhardt.de)

Franck, Gertrud: Gesunder Garten durch Mischkultur. 2. Auflage 1980, Südwest Verlag München (vergriffen)

Gaasch, Karlheinz; Kuhne, Wilhelm; Emmerling, Albert: Geschichte des Verbandes Ländlicher Heimvolkshochschulen Deutschlands. Band II. Hermannsburg, Druck- und Kommissionsverlag Missionshandlung, 1991

Greiner, Andreas: Wurzeln des organisch-biologischen Landbaus. Interview mit Brunhilde Bross-Burkhardt. In: bioland 8/2011, S. 23-25